Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Frage, ob Urlaubsansprüche vererbbar sind, wurde nun mit Spannung erwartet, wie sich das deutsche Bundesarbeitsgericht (BAG) dazu positionieren würde. Dessen bisherige Rechtsprechung hatte der EuGH gekippt. Seit dieser Woche ist nun klar: Auch das BAG schwenkt auf die Linie der Luxemburger Richter ein. Es gelten allerdings einige Einschränkungen für das Vererben von Urlaubsansprüchen.
Stirbt ein Arbeitnehmer, haben seine Erben Anspruch auf Abgeltung des nicht genommenen Urlaubs. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) am Dienstag und schloss sich damit der Rechtsprechung des EuGH an. Der Urlaubsanspruch wandelt sich demnach mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses in einen vererblichen Abgeltungsanspruch. Das BAG folgt damit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg.
Im Streitfall war ein schwerbehinderter Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst im Dezember 2010 verstorben. 25 Urlaubstage hatte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht genommen. Als Alleinerbin verlangte seine Witwe hierfür eine finanzielle Abgeltung.
Das BAG gab dem nun statt und sprach ihr 5.858,00 Euro (brutto) zu. Mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses, hier durch den Tod des Arbeitnehmers, wandele sich der Urlaubsanspruch in einen Anspruch auf finanzielle Abgeltung um, so das Gericht. Dieser Anspruch gehöre zum Vermögen des Verstorbenen und damit auch zur Erbmasse.
Abkehr von bisheriger Rechtsprechung
Damit setzte das BAG die Rechtsprechung des EuGH um, weicht damit jedoch von seiner bisherigen Rechtsprechung ab, die vom EuGH im November 2018 für unionsrechtswidrig erklärt wurde. Zuvor hatte das BAG eine Abgeltung von Urlaubsansprüchen nur anerkannt, wenn bei dem Verstorbenen bereits ein Urlaubsabgeltungsanspruch entstanden war (Urteil v. 12.03.2013, Az. 9 AZR 532/11). Auf die kürzlich erfolgte Vorlage des BAG zum EuGH hatte Letzterer zum selben Fall entschieden, dass der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub auch durch seinen Tod im laufenden Arbeitsverhältnis nicht untergeht. Zwar werde der „Erholungszweck“ des bezahlten Jahresurlaubs mit dem Tod hinfällig, die „finanzielle Komponente“ bleibe aber bestehen.
Ein paar Einschränkungen gibt es allerdings …
Laut BAG gilt dies in Deutschland nun generell für den gesetzlichen Mindesturlaub von 24 Werktagen und auch für den Zusatzurlaub von einer Woche für Schwerbehinderte. Bei weitergehenden Urlaubsansprüchen hängt dies vom Tarif- oder Arbeitsvertrag ab. Im konkreten Fall hat das BAG für den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) eine Vererblichkeit des Abgeltungsanspruchs für den gesamten tariflichen Urlaub bejaht.
Nach einem weiteren Urteil vom selben Tag müssen die Erben aber tarifliche oder vertragliche Ausschlussfristen einhalten, um solche Ansprüche geltend zu machen. Andernfalls würden sie besser gestellt als der verstorbene Arbeitnehmer selbst. Die Ausschlussfrist beträgt häufig drei Monate, im TVöD sind es sechs Monate. Im konkreten Fall hatten hier die Erben die Frist verpasst, so dass sie keine Ansprüche gegen den Arbeitgeber haben.
Nach dem Bundesurlaubsgesetz steht Arbeitnehmern bereits jeweils ab Anfang Juli der volle Jahresurlaub zu. Endet das Arbeitsverhältnis in der ersten Jahreshälfte, wird der Urlaubsanspruch anteilig berechnet. Endet das Arbeitsverhältnis und der Arbeitnehmer hat bereits zu viel Urlaub genommen, muss er dies dem Arbeitgeber nicht erstatten. Dies würde vermutlich auch für die Erben bei Ende des Arbeitsverhältnisses durch Tod gelten, entschieden hat das BAG hierüber aber noch nicht.
BAG, Urteil vom 22.01.2019 – 9 AZR 45/16 und Urteil vom 22.01.2019 – 9 AZR 149/17
EuGH, Urteil vom 06.11.2018, AZ: C-569/16 und C-570/16
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