Geerbt wird immer gern – es sei denn, es handelt sich um Schulden. Doch was ist, wenn der Staat als Erbe mit Schulden konfrontiert wird? Inwieweit haftet er, wenn keine anderen gesetzlichen Erben herangezogen werden können? Ein aktuelles BGH-Urteil gibt Auskunft.
Auch wenn das deutsche Erbrecht so gestaltet ist, dass es immer einen gesetzlichen Erben geben müsste, so ist es in der Praxis nicht selten, dass sehr entfernte Verwandte nicht oder nur mit unangemessen hohem Aufwand ermittelt werden können. Wenn dies der Fall ist – oder wenn das Erbe ausgeschlagen wird – dann tritt die öffentliche Hand an die Stelle des gesetzlichen Erben. Konkret erbt das Bundesland, in dem der Verstorbene seinen letzten Wohnsitz hatte. Spannend ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob der Staat auch für Schulden aufkommen muss. Dazu hat der Bundesgerichtshof (BGH) jetzt in einem etwas verzwickten Fall ein wegweisendes Urteil gefällt.
Zwangsversteigerung, Zwangsvollstreckungsklage, Zwangsvollstreckungsgegenklage … und nun?
Im konkreten Fall ging es um einen im Jahr 2006 verstorbenen Wohnungseigentümer aus Sachsen, der Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft war. Weil bei dem Mann keine anderen gesetzlichen Erben aufgetrieben werden konnten, wurde der Freistaat Sachsen zum gesetzlichen Alleinerben berufen. Bis Januar 2007 zog der Freistaat die Mieten des seinerzeitigen Mieters der Wohnung ein und zahlte an die Eigentümergemeinschaft Wohngeld für Januar bis März 2007. Ab Februar 2007 stand die Wohnung leer. Im Juni 2007 teilte der Freistaat der Eigentümergemeinschaft mit, die Wohnung bis zur Veräußerung selbst zu verwalten. Auf seinen Antrag eröffnete das Insolvenzgericht im Juli 2009 das Insolvenzverfahren über den Nachlass des Erblassers. Der eingesetzte Insolvenzverwalter gab die Eigentumswohnung im August 2009 aus der Insolvenzmasse frei. Das Insolvenzverfahren wurde im Mai 2010 aufgehoben. Auf Antrag der Beklagten wurde die Wohnung im April 2011 zwangsversteigert. Nun wollte die Wohnungseigentümergemeinschaft jedoch rückständige Wohngelder ab September 2009 vom Freistaat als Erben eintreiben und über eine Zwangsvollstreckung erreichen, dass der Freistaat mit seinem Eigenvermögen dafür einspringen soll. Das wiederum wollte das Land nicht akzeptieren und stellte in seiner Zwangsvollstreckungsgegenklage auf die Dürftigkeitseinrede ab. Diese kann ins Feld geführt werden, wenn der Nachlass so „dürftig“ ist, dass er noch nicht einmal dazu ausreicht, die Kosten zu decken, die bei einer Nachlassinsolvenz bzw. einer Nachlassverwaltung entstehen.
BGH: Der Staat ist als Erbe anders zu behandeln
Nachdem das Amtsgericht die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt hatte, das Landgericht danach aber gegensätzlich entschieden hatte, landete der Fall schließlich vor dem BGH. Der entschied, dass „der Fiskus (…), der zum gesetzlichen Alleinerben eines Wohnungseigentümers berufen ist, für die nach dem Erbfall fällig werdenden oder durch Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft begründeten Wohngeldschulden in aller Regel nur mit dem Nachlass haftet“, so die Zusammenfassung in einer Pressemitteilung des Gerichts vom 14. Dezember 2018. Vereinfacht gesagt heißt das: Wenn die öffentliche Hand erbt, haftet sie für Schulden in aller Regel nicht mit dem Eigenvermögen, sondern nur mit dem zum Nachlass gehörenden Vermögen. Bei sonstigen Erben ist das anders: „Andere Erben als der Fiskus haften nach der Rechtsprechung des Senats für die nach dem Erbfall fällig werdenden Wohngeldschulden spätestens dann auch mit ihrem eigenen Vermögen, wenn sie die Erbschaft angenommen haben oder die Ausschlagungsfrist abgelaufen ist“, so der BGH. „Dies lässt sich auf die Haftung des zum gesetzlichen Alleinerben berufenen Fiskus nicht übertragen, weil ihm gemäß § 1942 Abs. 2 BGB das Recht versagt ist, die Erbschaft auszuschlagen.“
Foto: BGH