In der aktuellen Corona-Krise stellt sich vermehrt die Frage, ob den Betrieben wegen der allgemein angeordneten Schließung Entschädigungsansprüche zustehen. Es handelt sich dabei um eine juristisch höchst umstrittene Frage. Das Landgericht Heilbronn hat am 29.04.2020 einen solchen Anspruch im Rahmen eines Eilverfahrens abgelehnt. Welche Auswirkung hat dieses Urteil? Rechtsanwältin Larinca Ritschl (EEP) gibt in unserer Rubrik „FAQ Corona“ Antworten.
Worum ging es in dem Fall ganz konkret?
Die Inhaberin eines Friseursalons musste ihren Betrieb wegen der Coronamaßnahmen Ende März schließen. Aufgrund der weiterhin anfallenden Miete, Aufwendungen zur sozialen Sicherung und dem völligen Verdienstausfall fordert sie eine Entschädigung vom Land Baden-Württemberg. Hierzu klagt sie vor dem Landgericht Heilbronn. Im Wege einer einstweiligen Verfügung wollte sie zudem einen entsprechenden Vorschuss erwirken.
Wie hat das Landgericht Heilbronn entschieden?
Das Landgericht Heilbronn hat einen Anspruch auf den Vorschuss abgelehnt, da ihr kein Anspruch auf Entschädigung zustehe.
Weshalb lehnt das Landgericht Heilbronn eine Entschädigung nach § 56 Infektionsschutzgesetz ab?
Ein Anspruch nach § 56 Abs. 4 Infektionsschutzgesetz würde daran scheitern, dass es sich bei der allgemeinen Betriebsschließung nicht um eine Maßnahme nach dem IfSG selbst (§ 56 Abs. 1 IfSG) handeln würde. Voraussetzung für den Anspruch sei vielmehr, dass der Betrieb wegen einer Infektion oder drohenden Infektion der Inhaberin hätte geschlossen werden müssen.
Warum ist das Gericht der Auffassung, dass andere Anspruchsgrundlagen nicht in Betracht kommen?
Eine entsprechende Anwendung des § 56 Infektionsschutzgesetz für die allgemeine Betriebsschließung lehnt das Gericht wohl deshalb ab, weil die Rettungspakete für Selbständige die Lücke schließen sollen. Außerdem habe das Infektionsschutzgesetz hinsichtlich der Entschädigungsansprüche aufgrund von Betriebsschließungen eine gewisse Sperrwirkung, sodass ein Rückgriff auf das allgemeine Ordnungsrecht ausgeschlossen sei. Darüber hinaus, so die Argumentation des Gerichts, fallen Erwerbs- und Betriebsaussichten nicht unter den Eigentumsschutz des Art. 14 GG.
Was für Auswirkungen hat die Entscheidung?
Es kann derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass diese Entscheidung eine verallgemeinerungsfähige Grundsatzentscheidung darstellt. Bei dem entschiedenen Fall handelt es sich nur um eine Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutz. Außerdem bleibt noch offen, ob die nächsthöhere Instanz ähnlich gelagerte Fälle ebenso bewertet wie das Landgericht Heilbronn.
Weshalb besteht noch weiterhin Hoffnung auf einen Entschädigungsanspruch?
Zum einen bedeutet das Urteil nicht, dass andere Landgerichte geschweige denn die nächsthöhere Instanz ebenso entscheiden werden. Hier wurde nur der vorgelegte Einzelfall entschieden. Dies zeigt insbesondere die aktuelle Rechtslage zur Eröffnung von Geschäften, die größer als 800 qm sind. Gerichte haben unterschiedliche Urteile über Verkaufsverbote für große Geschäfte mit mehr als 800 qm getroffen. Zum anderen erscheint die Begründung des Gerichts nicht folgerichtig. Die Gerichte sehen es als zulässig an, dass die allgemeine Schließungsverfügung auf das Infektionsschutzgesetz gestützt wird. Eine Entschädigung lehnen sie aber ab, weil die allgemeine Schließungsanordnung keine direkte Maßnahme nach dem Infektionsschutzgesetz sei.
Welches Vorgehen empfehlen Sie?
Angesichts der umstrittenen Rechtslage und der Antragsfrist von drei Monaten empfehlen wir, vorsorglich einen Antrag auf Entschädigung gemäß § 56 Infektionsschutzgesetz bei der zuständigen Behörde zu stellen. So verhindern Betroffene ein Verwirken ihrer Rechte und setzen darüber hinaus auch ein politisches Zeichen.
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