Fast einige Zeit in den Hintergrund geraten, ist sie plötzlich wieder ganz aktuell: die Grundsteuer. Nach zwei Jahren ist die Bewertung der Grundstücke im Wesentlichen abgeschlossen. Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer in Schleswig-Holstein und der gesamten Bundesrepublik erhalten derzeit ihre neuen Grundsteuerbescheide von den Kommunen. Und diese bringen oft mehr Fragen als Antworten. EEP-Steuerberater und Experte Christian Schmidt liefert Antworten auf die häufigsten Fragen und gibt Tipps, wie jetzt zu verfahren ist.
Was bewegt die Menschen in Schleswig-Holstein aktuell in puncto Grundsteuer?
Christian Schmidt: Die Menschen warteten gespannt auf die letzte Phase: den Erhalt der neuen Grundsteuerbescheide. Viele freuten sich bereits darauf, dass sie wahrscheinlich weniger oder zumindest nicht mehr zahlen müssen. Einige haben auf Basis der bisherigen Hebesätze ihre neue Grundsteuer bereits selbst berechnet. Hierbei haben viele Steuerpflichtige aber nicht berücksichtigt, dass die Hebesätze durch die Städte und Gemeinden nach Abschluss der Bewertung durch die Finanzämter neu ermittelt werden und daher die alten Hebesätze für eine Berechnung der neuen Grundsteuerbelastung ungeeignet waren.
Seit Anfang Januar 2025 – gerade noch rechtzeitig vor der 1. Zahlung – kommen die neuen Grundsteuerbescheide ins Haus geflattert. Und nun ist bei vielen Empfängern die Verwunderung sehr groß, dass sie deutlich mehr bezahlen müssen als bisher. Die Erfahrung der ersten Wochen zeigt auch bei unseren Mandanten, dass es offenbar doch deutlich mehr „Verlierer“ als „Gewinner“ gibt, das heißt: Auf Basis der neuen Hebesätze ergibt sich bei vielen eine deutliche Mehrbelastung.
Lässt sich bereits absehen, wer besonders häufig von einer Mehrbelastung durch eine gestiegene Grundsteuer betroffen ist?
Christian Schmidt: Wie erwartet ist insbesondere die Grundsteuerbelastung für Wohnimmobilien im Verhältnis zu Gewerbeimmobilien deutlich häufiger bzw. höher gestiegen. Hintergrund ist, dass Gewerbe- oder Nichtwohnimmobilien anders bewertet werden als Wohnimmobilien – jedenfalls nach dem sogenannten Bundesmodell, das in Schleswig-Holstein Anwendung findet. Vorteile auf Basis der Bewertung werden durch deutlich höhere Hebesätze auch in etlichen Fällen wieder ausgeglichen, sodass in der Tendenz zukünftig mehr zu zahlen ist als in den Vorjahren.
Viele Menschen haben hierbei das Versprechen der Politik im Kopf, dass die Reform „aufkommensneutral“ sein sollte. Der Laie übersieht dabei, dass Aufkommensneutralität nicht Belastungsneutralität für jeden einzelnen Steuerzahler bedeutet. Verschiebungen zwischen den Steuerpflichtigen hatte man seitens der Politik daher bewusst nicht ausgeschlossen.
Was kann ich als Bürger denn jetzt eigentlich tun, wenn der Grundsteuerbescheid in der Post war?
Christian Schmidt: Zunächst einmal sollte jeder Grundsteuerbescheid noch einmal mit dem Grundsteuermessbescheid und dem Grundsteuerwertbescheid des Finanzamts verglichen werden. Zwar zeigt die Erfahrung der ersten Wochen, dass die Kommunen in der Regel die wichtigsten Parameter – Hebesatz und Messbetrag – korrekt umsetzen. Es gibt allerdings immer wieder kleinere Fehler in den Bescheiden wie zum Beispiel falsche Bezugsadressen, falsche Bezeichnungen oder falsch ausgewiesene Steuerpflichtige. Diese Fehler sollten korrigiert werden, damit die Bescheide in Zukunft eindeutig dem jeweiligen Grundstück zugeordnet werden können. Bei Gewerbetreibenden könnte dies für den zulässigen Abzug der Gewerbesteuer relevant sein. Denn bei den Bescheiden handelt es sich oftmals um Dauerbescheide.
Den Hebesatz selbst sollten Sie als Eigentümer mit der Satzung der jeweiligen Gemeinde oder Stadt vergleichen. Hier kommt es zwar nur selten zu Fehlern, aber sicher ist sicher. Ebenfalls unbedingt zu prüfen sind die im Bescheid ausgewiesenen Bankdaten und Lastschriftgenehmigungen, damit auch zukünftig die Abbuchung durch die Kommune reibungslos funktioniert und Mahnungen vermieden werden.
Zudem sollten Steuerpflichtige den Grundsteuermessbescheid und den Grundsteuerwertbescheid (bei abweichenden Landesmodellen auch den Grundsteueräquivalenzbescheid) nochmals prüfen. Es zeigt sich, dass Steuerpflichtigen, die ihre Erklärung seinerzeit selbst erstellt und abgegeben haben, durchaus hin und wieder Fehler unterlaufen sind, die mitverantwortlich für nun deutlich höhere Grundsteuern sind. Viele haben sich im Zuge der Abgabe der Steuererklärung darauf verlassen, dass das Finanzamt die Angaben noch einmal gegenprüfen würde. Dies ist jedoch, auch weil es sich um ein Massenverfahren handelt, bei weitem nicht immer geschehen. Viele Erklärungen wurden ohne weitere Prüfung durchveranlagt.
Dies fällt tendenziell vor allem dann auf, wenn die neue Grundsteuerbelastung deutlich höher ist als erwartet. Insbesondere wenn der Wert überdurchschnittlich hoch erscheint, sollten Steuerpflichtige daher auch noch einmal die beiden Bescheide vom Finanzamt überprüfen und im Zweifel den Rat eines Experten einholen. Nicht selten finden sich hier Fehler, die einen Einfluss auf die Bemessungsgrundlage haben können.
Kann ich jetzt noch gegen die neuen Steuerbescheide vom Finanzamt vorgehen?
Christian Schmidt: Viele werden vielleicht sagen: „Was soll’s?! An dem Bescheid von vor zwei Jahren kann ich doch gar nichts mehr ändern.“ Das stimmt jedoch nur begrenzt. Zwar werden Steuerbescheide, sofern man keinen Einspruch eingelegt hat, innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe bestandskräftig und sind dann nur noch schwer änderbar. Es gibt aber in vielen Fällen auch jetzt noch die Möglichkeit eines Änderungsantrags, wenn man in der ursprünglichen Erklärung Fehler gemacht hat. Daher gilt: Vorsorglich noch einmal die Bescheide aus den Jahren 2022 bis 2024 vom Finanzamt hervorholen und nochmals prüfen! Läuft bereits ein Einspruchsverfahren und man entdeckt weitere Fehler, kann man diese auch noch nachträglich dem Finanzamt mitteilen.
Sofern die aktuellen Grundsteuerbescheide von der Kommune aber zutreffend sind und die Grundlagenbescheide vom Finanzamt richtig umgesetzt wurden, gibt es derzeit grundsätzlich nur in weniger Fällen Anlass für einen Widerspruch.
Haben Steuerpflichtige seinerzeit Einspruch wegen möglicher Verfassungswidrigkeit beim Finanzamt eingelegt, ändert dies in der Regel nichts an dem aktuellen Bescheid der Kommune. Der Einspruch beim Finanzamt läuft weiter, hat aber keinen Einfluss auf die aktuelle Grundsteuerfestsetzung, denn ein Einspruch verhindert nicht, dass die Steuer auch gezahlt werden muss. Wird der Einspruch später gewonnen und/oder die Bescheide des Finanzamts geändert, wird auch die Grundsteuerfestsetzung angepasst oder gar aufgehoben. Ein Widerspruch gegen den aktuellen Grundsteuerbescheid allein aus diesem Grund ist aber weder erforderlich noch möglich.
Muss ich nun also die Grundsteuer entsprechend dem neuen Bescheid zahlen?
Christian Schmidt: In den weit überwiegenden Fällen wird die festgesetzte Grundsteuer auch ab der 1. Fälligkeit im ersten Quartal 2025 zu zahlen sein. Die Grundsteuerzahlung wäre derzeit nur dann vermeidbar, wenn man gegen die Grundsteuerbescheide des Finanzamts neben dem Einspruch auch die sogenannte „Aussetzung der Vollziehung“ gegen die Bescheide des Finanzamts beantragt hat. Nur diese kann die Zahlungspflicht aufschieben, bis über den Einspruch entschieden wurde. Die Vollziehung kann – basierend auf ganz aktueller Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – bei der Grundsteuer-Reform aber nur in seltenen Fällen ausgesetzt werden, nämlich dann, wenn der festgesetzte Grundsteuerwert der Immobilie deutlich höher als der Verkehrswert ist (mindestens 40 %). Diesen Wertunterschied muss der Steuerpflichtige auch nachweisen, z. B. durch ein Gutachten oder einen aktuellen Kaufpreis aus den Jahren 2021 bis 2023. Diese Variante kommt daher in der Praxis nur selten zur Anwendung. Vermuten Steuerpflichtige eine erhebliche Wertabweichung, sollte sich ein Experte den Fall ansehen und prüfen. Auch ohne einen vorherigen Einspruch könnte dann vielleicht ein Änderungsantrag helfen.
Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist im Übrigen aber auch ein zweischneidiges Schwert. Wird dem Antrag stattgegeben, der Einspruch später aber trotzdem verloren, muss nicht nur die Steuer nachgezahlt werden, sondern darüber hinaus auch noch Zinsen. Bei längeren Einspruchsverfahren kann dies eine erhebliche Mehrbelastung ausmachen. Daher sollten sich Steuerpflichtige einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gut überlegen.
Viele Kommunen haben ihre Hebesätze an den vom Land Schleswig-Holstein vorgegebenen aufkommensneutralen Richtlinien orientiert und diese umgesetzt. Diesem Weg sind jedoch nicht alle Kommunen gefolgt, darunter auch die Stadt Neumünster.
Ein Widerspruch gegen den Grundsteuerbescheid kann in Ausnahmefällen auch dann Sinn machen, wenn die zuständige Kommune differenzierte Hebesätze für Wohnimmobilien und Gewerbegrundstücke beschlossen hat. Insoweit wird kontrovers diskutiert, ob dies überhaupt zulässig ist. Da die Widerspruchsfrist für Grundsteuerbescheide nur einen Monat beträgt, sich die Frage jedoch über Jahre hinziehen könnte, sollten Steuerpflichtige mit einem Nichtwohngrundstück gegebenenfalls vorsorglich Widerspruch einlegen.
Achtung ist geboten bei abweichenden Landesmodellen – dies betrifft beispielsweise Hamburg oder Niedersachsen: Dort gelten zum Teil andere Regelungen auf Basis der jeweiligen Landesgesetze.
Im Zweifel sollten Steuerpflichtige bezüglich eines Widerspruchs noch einmal ihren Steuerberater fragen – unabhängig davon, ob dieser auf dem Bundesmodell oder einem der Landesmodelle beruht.
Unsere fünf Kernbotschaften für den Umgang mit dem Grundsteuerbescheid 2025:
- Prüfen Sie Ihren Grundsteuerbescheid und gleichen Sie ihn mit den Bescheiden des Finanzamtes ab.
- Schauen Sie insbesondere bei Extremabweichungen sehr genau hin: Dies kann zum einen auf dem angehobenen Hebesatz Ihrer Gemeinde beruhen. Es kann sich aber auch um Fehler bei der Veranlagung des Finanzamts handeln – in diesem Fall sollten Sie noch einmal beim Finanzamt vorstellig werden.
- Achten Sie darauf, dass Sie die neuen Hebesätze als Grundlage für Ihre eigene Berechnung verwenden. Erst auf Basis dieses Ergebnisses sollten Sie abwägen, ob Sie Widerspruch einlegen oder nicht.
- Sind inhaltliche Fehler vorhanden, sollten Sie Widerspruch einlegen und eine Änderung beantragen. Bei differenzierten Hebesätzen kommt ebenfalls ein Einspruch in Betracht. Beachten Sie unbedingt die Hinweise im Grundsteuerbescheid auf die formalen Anforderungen an einen Widerspruch und prüfen Sie, ob hierfür eventuell auch Kosten entstehen können.
- Jeder Fall ist unterschiedlich. Im Zweifel sollte sich ein Experte Ihren Fall noch einmal genauer ansehen.
Mit Blick in die Zukunft: Ist die Grundsteuerreform mit Erhalt des neuen Grundsteuerbescheides jetzt abgeschlossen?
Christian Schmidt: Abschließend lässt sich festhalten, dass das Thema Grundsteuerreform durch die Festsetzung der Kommunen im Januar 2025 kurzfristig wieder an Aktualität gewonnen hat. Steuerpflichtige sollten ihre Grundsteuerbescheide, aber auch die vorangehenden Bescheide der Finanzämter nochmals prüfen und unbedingt innerhalb der einmonatigen Widerspruchsfrist tätig werden. Noch besteht eventuell die Möglichkeit, etwaige Fehler korrigieren zu lassen. Im Zweifel sollte man auch noch einmal einen Experten hinzuziehen.
Viele glaubten und waren erleichtert, dass das Thema mit dem Erhalt des Grundsteuerbescheids nun erledigt sein würde. Dem ist aber nicht so. Steuerpflichtige müssen zukünftig – anders als in der Vergangenheit – dem Finanzamt deutlich häufiger als früher bei Veränderungen eine Meldung machen. Wird beispielsweise ein Gebäude vergrößert und die nutzbare Fläche verändert sich, hat dies Auswirkungen auf die Bewertung. In vielen Fällen ist dann eigenständig beim Finanzamt innerhalb einer bestimmten Frist eine neue Erklärung abzugeben, auch in den Zeiträumen bis zur nächsten Hauptfeststellung im Jahr 2029. Die Gründe für eine solche Meldung sind vielfältig. Im Zweifel sollte man auch hier einen Experten fragen.