Bei der Insolvenzanfechtung bei kontokorrentähnlichen Gesellschafterdarlehen herrschten bisher im Detail einige Rechtsunsicherheiten. Ein aktuelles Urteil des BGH hat nun klargestellt, wie mit entsprechenden Zahlungen im Insolvenzfall umzugehen ist.
Der Bundesgerichtshof hat zur Frage der Insolvenzanfechtung bei kontokorrentähnlichen Gesellschafterdarlehen durch ein Urteil im Jahr 2019 vorher bestehende Unklarheiten reduziert.
In dem vom Bundesgerichtshof zu entscheidenden Sachverhalt hatte eine Gesellschaft an ihre Tochtergesellschaft im Rahmen einer kontokorrentähnlichen Vereinbarung zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen erhebliche Geldbeträge ausgezahlt. Die Tochtergesellschaft zahlte die ausgereichten Summen zurück und fiel später in die Insolvenz.
Nach § 135 Absatz 1 Nummer 2 der Insolvenzordnung (InsO) unterliegt der Insolvenzanfechtung jede Rechtshandlung innerhalb des letzten Jahres vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens („Anfechtungszeitraum“), die für die Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines Darlehens oder einer darlehensähnlichen Leistung „Befriedigung gewährt“. Rechtsfolge der anfechtbaren Rückzahlung des Gesellschafterdarlehens ist die Rückgewähr. Nach dem Wortlaut des § 135 InsO könnte jede einzelne Rückzahlung der Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft aus einem Kontokorrent als anfechtbare Rückzahlung anzusehen sein.
Der Bundesgerichtshof hat in dem oben genannten Urteil entschieden, dass bei einem Hin- und Herzahlen der Geldbeträge im Rahmen von kontokorrentähnlichen Gesellschafterdarlehensverhältnissen nur eine Darlehensgewährung in Höhe des höchsten innerhalb des oben genannten Anfechtungszeitraums erreichten Sollsaldos besteht. Die gedankliche Zerlegung einer „einheitlich angelegten Vermögenszuwendung“ in voneinander unabhängige Einzeldarlehen in Form der zum Teil mehrmals täglich vorgenommenen Ein- und Auszahlungen soll sich nach Ansicht des Bundesgerichtshofes dagegen verbieten. Ein Rückzahlungsanspruch aus Anfechtung kommt deshalb nur insoweit in Betracht, als dieser höchste Sollsaldo bis zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens „endgültig“ zurückgezahlt wurde.
Das Urteil dürfte zu einer erheblichen Reduzierung des Anfechtungsrisikos führen. Die Entscheidung bezieht sich auf „kontokorrentähnliche“ Gesellschafterdarlehen; fraglich ist, ob die Entscheidung des Bundesgerichtshofes auch auf Cash-Pool-Systeme übertragbar ist.
Aktenzeichen: IX ZR 167/18
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