Die im März beschlossene Aussetzung der Insolvenzantragspflicht soll bis Ende 2020 verlängert werden. Unternehmen, die coronabedingt in die Krise geraten sind, waren seit März nicht mehr verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen. Aber das gilt ab Oktober nicht mehr uneingeschränkt: Die Regeln werden wieder schärfer.
Was ändert sich ab Oktober?
Ab Oktober sind zahlungsunfähige Unternehmen wieder verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen. Zahlungsunfähigkeit (§ 17 Abs.2 InsO) liegt vor, sobald ein Unternehmen mehr als zehn Prozent der fälligen Verbindlichkeiten innerhalb von drei Wochen nicht begleichen kann.
Lediglich für Unternehmen, die zwar überschuldet, aber nicht zahlungsunfähig sind, bleibt die Insolvenzantragspflicht bis Endes des Jahres ausgesetzt. Als überschuldet gilt ein Unternehmen dann, wenn sein Vermögen nicht ausreicht, um alle bestehenden Verbindlichkeiten zu decken.
Der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit ist in der Praxis deutlich relevanter als der der Überschuldung, sodass von der weiteren Aussetzung der Antragspflicht wahrscheinlich nur wenige Unternehmen profitieren werden. Um Strafbarkeits- und Haftungsrisiken zu vermeiden, müssen Geschäftsführer frühzeitig tätig werden.
Was müssen Geschäftsführer jetzt tun?
Geschäftsführer waren schon während der vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht verpflichtet, alle notwendigen Maßnahmen zur Existenzsicherung zu treffen. Die Liquidität der Gesellschaft war durch geeignete Maßnahmen bestmöglich zu sichern.
Eine etwaige Zahlungsunfähigkeit muss bis spätestens Ende September beseitigt sein, da ab Oktober die alten Regelungen wieder gelten. Geschäftsführer sollten daher, die Zahlungsfähigkeit ihres Unternehmens frühzeitig überprüfen.
Dabei sind die liquiden Mittel zu den fälligen Verbindlichkeiten ins Verhältnis zu setzen. Ist der Quotient kleiner als 0,9, liegt Zahlungsunfähigkeit im rechtlichen Sinn vor. In einem zweiten Schritt ist dann zu prüfen, ob die Zahlungsunfähigkeit spätestens in den kommenden drei Wochen wieder beseitigt werden kann. Diese Berechnung gestaltet sich schwieriger, da Prognosen für die Zukunft vorgenommen werden müssen.
Es gilt die Formel: Liquide Mittel + Zukünftige Zahlungseingänge (drei Wochen) / Fällige Verbindlichkeiten + Fällig werdende Verbindlichkeiten (drei Wochen).
Sollte der Quotient wiederum unter 0,9 liegen, ist ein Insolvenzantrag zu stellen.
Was gilt es noch zu beachten?
Die Höhe der bereits fälligen und fällig werdenden Verbindlichkeiten kann bspw. durch Stundungsvereinbarungen, reduziert werden. Gestundete Forderungen sind nicht fällig und schonen damit die Liquidität des Unternehmens.
Welche Haftungsrisiken gibt es?
Bei einigen Unternehmen ist der Eindruck entstanden, dass die Pflicht zur Insolvenzantragstellung vollständig ausgesetzt wäre. Tatsächlich greifen aber die Regelungen des COVInsAG nur in klar definierten Fällen. Mit der Rückkehr der Insolvenzantragspflicht für zahlungsunfähige Unternehmen erhöhen sich auch wieder die Strafbarkeits- und Haftungsrisiken.
Wer bspw. ein Geschäft abschließt, obwohl er bereits davon ausgehen muss, seine vertragliche Verpflichtung bei Fälligkeit nicht erfüllen zu können, macht sich wegen Eingehungsbetruges strafbar. Daneben können auch die typischen Insolvenzstraftaten wie Insolvenzverschleppung und Bankrott erfüllt sein.
Zivilrechtliche Haftungsrisiken werden ebenfalls wieder größer. War seit März die persönliche Haftung des Geschäftsführers für nach Eintritt eines Insolvenzgrundes geleistete Zahlungen (§ 64 GmbHG) stark eingeschränkt, so werden ab Oktober wieder die alten Regelungen gelten.
Geschäftsführer sollten daher die Zahlungsfähigkeit ihres Unternehmens zu Ende September überprüfen. Um Haftungsrisiken auszuschließen, ist es wichtig, diese Prüfung ausreichend zu dokumentieren. Je größer die Gefahr einer Insolvenz ist, desto mehr muss der Geschäftsführer sein Vorgehen rechtfertigen. Wenn die Zahlungsfähigkeit zweifelhaft erscheint, sollte dringend fachkundiger Rat von einem auf Insolvenzrecht spezialisierten Rechtsanwalt oder einen Steuerberater eingeholt werden. Auf diese Expertise darf sich der Geschäftsführer verlassen, wenn später tatsächlich die persönliche Haftung drohen sollte.
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