Darf einem schwerbehinderten Arbeitnehmer gekündigt werden, ohne dass vorher die Schwerbehindertenvertretung angehört worden ist? Das Bundesarbeitsgericht hat dazu mit einem ganz aktuellen Urteil Klarheit geschaffen.
Die Kündigung eines Schwerbehinderten ist nicht nur menschlich, sondern auch juristisch eine sensible Angelegenheit. Rechtsunsicherheit herrschte bisher insbesondere bei der Frage, ab wann und inwieweit die Schwerbehindertenvertretung einbezogen werden muss. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte jetzt einen Fall aus Sachsen auf dem Tisch und hat eine Entscheidung getroffen, die im Umgang mit dem Thema weitgehende Klarheit schafft.
Ohne Anhörung geht es nicht
Die Kündigung eines Schwerbehinderten ist demnach unwirksam, wenn der Arbeitgeber sie ohne Anhörung der Schwerbehindertenvertretung ausspricht. „Der erforderliche Inhalt der Anhörung und die Dauer der Frist für eine Stellungnahme der Schwerbehindertenvertretung richten sich nach den für die Anhörung des Betriebsrats geltenden Grundsätzen (§ 102 BetrVG)“, so das BAG in seiner Pressemitteilung vom 13.12.2018.
Schwerbehindertenvertretung, Betriebsrat, Integrationsamt: Wer muss wann einbezogen werden?
Zudem stellte das Gericht aber auch fest: „Die Kündigung ist nicht allein deshalb unwirksam, weil der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung entgegen § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX aF (seit dem 1. Januar 2018: § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX) nicht unverzüglich über seine Kündigungsabsicht unterrichtet oder ihr das Festhalten an seinem Kündigungsentschluss nicht unverzüglich mitgeteilt hat.“ Das heißt konkret: Die Anhörung der Schwerbehindertenvertretung kann ausdrücklich auch erst dann erfolgen, wenn die Anhörung des Betriebsrats bereits erfolgt ist und auch das Verfahren vor dem Integrationsamt abgeschlossen ist. „Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Kündigung sei nach § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX aF unwirksam, weil die Beklagte die Schwerbehindertenvertretung erst nach Abschluss des Verfahrens vor dem Integrationsamt und nach Anhörung des Betriebsrats beteiligt habe“, so das BAG.
Über die Wirksamkeit der Kündigung im konkret verhandelten Fall urteilte das BAG nicht abschließend, sondern verwies den Fall zurück an die Vorinstanz, das Sächsische Landesarbeitsgericht. Dennoch hat die BAG-Entscheidung eine große Signalwirkung. Arbeitgebern ist zu raten, sowohl den Betriebsrat als auch die Schwerbehindertenvertretung im Fall der Kündigung eines Schwerbehinderten umfassend zu informieren. Auch wenn beide Vertretungen noch nicht vor der Einleitung eines Verfahrens beim Integrationsamt beteiligt werden müssen, kann es in der Praxis durchaus sinnvoll sein, sie alle gleichzeitig zu informieren, um Zeit zu sparen.
BAG-Urteil vom 13.12.2018, Az.: 2 AZR 378/18
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