Haftung im kommunalen Eigenbetrieb: Auch der Werkleiter verdient Entlastung

In einem kommunalen Eigenbetrieb übernimmt die Werkleitung Aufgaben, die sich mit den Aufgaben der Geschäftsführung in einer GmbH vergleichen lassen. Hat ein/e Werkleiter/in somit nicht auch eine haftungstechnische Entlastung verdient? Und wie lässt sich dies in kommunalen Eigenbetrieben in Schleswig-Holstein am besten umsetzen?

Für rund ein Viertel aller wirtschaftlich tätigen Kommunen ist der sog. Eigenbetrieb noch immer die Organisationsform der Wahl – und das nicht grundlos. Für wirtschaftliche Tätigkeiten geringeren Umfangs, zum Beispiel für kleine Stadtwerke oder Schlachthöfe, punktet er als geglückter Kompromiss aus organisatorischer Selbstständigkeit und formaler Praktikabilität. Ähnlich wie im Falle einer Ausgliederung kann die Einrichtung einer Werkleitung den Bürgermeister in Angelegenheiten des Eigenbetriebs von einer Aufgabenerfüllung entlasten – aber verdient die Werkleitung dann nicht ihrerseits eine haftungstechnische Entlastung?

Die Werkleitung vertritt die Kommune nach außen wie ein Geschäftsführer – und kann im Grunde auch wie einer haften!

Die Werkleitung leitet den Eigenbetrieb und ist für seine wirtschaftliche Führung verantwortlich. Ihr obliegt die laufende Betriebsführung und zu diesem Zweck vertritt sie die Kommune in den Angelegenheiten des Eigenbetriebes. Zudem kann die Betriebssatzung der Werkleitung weitergehende Vertretungsbefugnisse und Aufgabenbereiche zuweisen, was sie in der Praxis auch oft tut.

Nun kennt der Eigenbetrieb keine mit § 43 Abs. 2 GmbHG vergleichbare persönliche Organhaftung seiner Werkleitung – wäre da nicht der Anstellungsvertrag. Dieser taugt in aller Regel als persönliche Haftungsgrundlage, ist doch auch der angestellte Werkleiter zur rechtskonformen Betriebsführung verpflichtet. Gerade die Teilnahme der öffentlichen Hand am Wettbewerb – genauer: an einem Wettbewerb, der von der Europäischen Kommission und den Kartellämtern des Bundes und der Länder hoch dynamisch, frei und schnelllebig gehalten wird –, konfrontiert die Werkleitung mit neuen haftungstechnischen Fallstricken: Die Missachtung regulierungsrechtlicher Zugangsfragen zu Netzinfrastrukturen, die fehlende beihilfenrechtliche Absicherung von Defizitausgleichen im kommunalen Querverbund oder das scharfe Schwert des Kartellrechts, das vor allem Absprachen mit Mitbewerbern einen Riegel vorschiebt – Wettbewerbsfragen rücken im Mehrebenen-System der europäischen und nationalen Marktordnung zunehmend in den (nicht nur theoretischen) Vordergrund. Und Compliance ist „Chefsache“.

Haftung ohne Entlastung: Persönliche Sicherheit und Chancengleichheit im Wettbewerb adé

Die wirtschaftlichen Aktivitäten der öffentlichen Hand nehmen zu und ökonomische Entscheidungen werden zunehmend komplexer. Auch der Trend zur Rekommunalisierung bestimmter Zweige scheint weiter Fahrt aufzunehmen. Damit drängt sich aber die Frage auf: Warum verdient die Werkleitung in Schleswig-Holstein keine haftungstechnische Entlastung? Entlastung meint Billigung der bisherigen Betriebsführung durch Beschluss und ist insbesondere in der Praxis von GmbHs Konvention. Und das nicht grundlos: Wenn die Gesellschafterversammlung nämlich die Betriebsführung ihrer Geschäftsführung durch Beschluss billigt, so wäre es widersprüchlich und damit rechtsmissbräuchlich, wenn sie nach wirksamer Entlastung noch Ansprüche durchsetzt oder Kündigungsgründe konstruiert.

Damit wäre auch in der eigenbetrieblichen Praxis viel gewonnen. Ein kommunaler Beschluss zur Entlastung und die durch ihn zum Ausdruck gebrachten Billigung der bisherigen Betriebsführung kann die für die Werkleitung persönlich und wirtschaftlich (für die Kommune) so wertvolle „innenpolitische“ Stabilität schaffen. Selbstverständlich profitiert dadurch zunächst einmal die Werkleitung selbst, die persönliche Haftungsrisiken überschauen und bewerten kann. Bedient werden aber auch die Interessen der Kommune – und damit nicht zuletzt auch die der Allgemeinheit: Die Kommunalvertretung anzuhalten, die Betriebsführung kritisch zu hinterfragen und zu bestätigen, fördert nicht nur die demokratische Akzeptanz der Werkleitung; selbige wird vielmehr bestärkt in ihrem Mut zu – immer auch riskanten – Vorstößen im Wettbewerb mit Privaten. Diese Chancengleichheit dürfte als Wettbewerbsfaktor nicht zu vernachlässigen sein.

Es verwundert daher sehr, dass weder die Gemeinde- noch die Eigenbetriebsverordnung eine Pflicht der Kommunalvertretung kennt, dem Werkleiter für das Geschäftsjahr Entlastung zu erteilen. Blaupausen bieten insoweit Brandenburg (§ 7 Nr. 5 EigVO), Sachsen (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 SächsEigBVO) oder Sachsen-Anhalt (§ 19 Abs. 4 Nr. 3 EigBG).

Was nun? Satzung schafft Sicherheit!

Die kommunalwirtschaftliche Praxis in Schleswig-Holstein kann sich nur selbst zu ihrem Glück verhelfen, indem sie auf eine freiwillige Entlastung der Kommunalvertretung hinwirkt oder noch besser: indem sie eine solche Pflicht in die Betriebssatzungen ihrer Eigenbetriebe aufnimmt. Die bisherige gesetzgeberische Untätigkeit zeigt dabei nicht nur Nachteile, sondern auch Chancen: Sie eröffnet die Möglichkeit, Gestaltung und Delegation der Entlastung durch eine individuelle Satzungsregelung unter Berücksichtigung des einzelnen Betriebs und seines kommunalen Umfeldes zu gestalten.

Kommunen und kommunalen Eigenbetrieben steht es also frei, sich die vielleicht nicht ganz nachvollziehbare Zurückhaltung des Landesgesetzgebers zunutze zu machen und durch einen gut begründeten Kommunalbeschluss eine Regelung zu schaffen, die ihren Interessen am ehesten entspricht.

Foto: Tobias Arhelger/shutterstock

 

Vorschau auf den nächsten Blogbeitrag

Geringe rechtliche und formale Hürden gepaart mit wirtschaftlich-organisatorischer Selbstständigkeit machen Eigenbetriebe zur geeigneten Organisationsform für kleinere wirtschaftliche Aktivitäten. Sobald es aber etwas umfangreicher werden sollte, können die Vorteile der Ausgliederung in eine öffentliche oder privatrechtliche Organisationsform überwiegen (z.B. kommunale Anstalt / GmbH). Über die Möglichkeiten und Vorteile einer kommunalen Ausgliederung möchten wir Sie gern in unserem nächsten Beitrag aus der Kategorie „Öffentliches Wirtschaftsrecht“ informieren.

Sprechen Sie uns gern an, wenn Sie einen Hinweis zur Veröffentlichung wünschen (E-Mail: Tobias.Krohn@eep.info und jan.reese@eep.info).

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