Unzulässigkeit von Personalgestellungen – Verstößt die dauerhafte Personalgestellung nach TVöD gegen Europarecht? BAG ruft zur Wirksamkeit von Personalgestellungen den EuGH an

Die rechtliche Zukunft von Personalgestellungen durch Unternehmen der öffentlichen Hand ist ungewiss. Das BAG hat die Frage, ob Personalgestellungen mit der europäischen Leiharbeitsrichtlinie 2008/104/EG vereinbar sind, dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt.

Der konkrete Fall:

Die Parteien streiten vor dem BAG über die Wirksamkeit einer Personalgestellung. Der Arbeitnehmer ist seit dem Jahr 2000 bei einem privatrechtlich organisierten Krankenhausbetreiber der öffentlichen Hand in der Poststelle beschäftigt. Dieser Bereich wurde im Juni 2018 auf eine krankenhauseigene Servicegesellschaft ausgegliedert. Da der Mitarbeiter dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Servicegesellschaft widersprach, wird er seitdem – ohne zeitliche Begrenzung – vom Arbeitgeber an die Servicegesellschaft gestellt und übt dort seine Tätigkeit unverändert weiter aus. Der auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) sieht die Möglichkeit der Gestellung ausdrücklich vor:

„§ 4 Abs. 3 Satz 1 TVöD: Werden Aufgaben der Beschäftigten zu einem Dritten verlagert, ist auf Verlangen des Arbeitgebers bei weiter bestehendem Arbeitsverhältnis die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung bei dem Dritten zu erbringen (Personalgestellung).“

Trotz dieser eindeutigen Regelung im Tarifvertrag ist der Arbeitnehmer der Ansicht, er sei nicht zur Tätigkeit bei der Servicegesellschaft verpflichtet. Die Personalgestellung sei in Wahrheit Arbeitnehmerüberlassung, welche vorliegend unzulässig sei, weil der Krankenhausbetreiber nicht über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfüge und die Gestellung auf Dauer angelegt sei. Die Ausnahmevorschrift in § 1 Abs. 3 Nr. 2b Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG), die Personalgestellungen weitestgehend von den strengen Vorgaben der Arbeitnehmerüberlassung ausnimmt, sei europarechtswidrig.

Die Entscheidung des BAG

Nachdem die Vorinstanzen die Klage abgewiesen hatten, legte das BAG die beiden zentralen und entscheidungserheblichen Fragen zur Auslegung der Leiharbeitsrichtlinie dem EuGH vor, nämlich:

  • Fällt die Personalgestellung im Sinne von § 4 Abs. 3 TVöD unter den Schutzzweck und damit in den Anwendungsbereich der Richtlinie?
  • Falls ja, lässt die Leiharbeitsrichtlinie eine Bereichsausnahme wie die in § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG geregelt zu?

Praxisfolgen

Die Vorlage an den EuGH durch das BAG birgt erhebliche Gefahren für das aktuelle Modell der bei Unternehmen der öffentlichen Hand verbreiteten Personalgestellungen. Sollte die bestehende Bereichsausnahme des § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG vom EuGH für europarechtswidrig erklärt werden, würde dies die derzeitige Praxis der Personalgestellung fundamental in Frage stellen. Die Bestimmungen des AÜG fänden uneingeschränkt Anwendung. Rechtsfolge der – ohne Erlaubnis – durchgeführten Arbeitnehmerüberlassung wäre u.a. die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses mit dem Einsatzunternehmen.

Solange die derzeitige Ausnahmeregelung für Personalgestellungen – noch – nicht für unionsrechtswidrig erklärt worden ist, können auf Grund eines Tarifvertrags des öffentlichen Dienstes erfolgende Personalgestellungen zwar fortgesetzt und sogar neue Personalgestellungen angeordnet werden. Arbeitgeber müssen sich jedoch darauf einstellen, diese Praxis – abrupt – zu beenden, falls die Gerichte die Bereichsausnahme in § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG tatsächlich „kippen“ sollten. In diesen Fällen dürften Arbeitgeber, die bislang Personal an dritte Unternehmen gestellt haben, an betriebsbedingten Kündigungen kaum vorbeikommen.

Vor diesem Hintergrund bleibt zu hoffen, dass beide Gerichte diese schwerwiegenden Folgen bei ihren weiteren Entscheidungen vor Augen haben werden.

Wir halten Sie über die weitere Entwicklung unterrichtet und sind bei Bedarf gern behilflich!

BAG v. 16.06.2021 – 6 AZR 390/20 (A)

Bildquelle: Shutterstock/Gearstd

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