Arbeitnehmer hatten es bis in die jüngste Vergangenheit schwer, Ansprüche auf Überstundenvergütung durchzusetzen. Nach traditioneller Rechtsprechung hatte der Arbeitnehmer darzulegen, dass er Arbeit in einem die normale Arbeitszeit übersteigenden Umfang geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers hierzu bereitgehalten hat. Zudem musste der Arbeitnehmer vortragen, dass der Arbeitgeber die geleisteten Überstunden ausdrücklich oder konkludent angeordnet, geduldet oder nachträglich gebilligt habe.
Streitig war nun bei den Instanzgerichten geworden, ob durch die auf Unionsrecht beruhende Pflicht zur Einführung eines Systems zur Messung der vom Arbeitnehmer geleisteten täglichen Arbeitszeit auf der Grundlage eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahre 2019 diese Darlegungs- und Beweislastgrundsätze erleichternd zu Gunsten der Arbeitnehmerseite verändert worden sind, insbesondere wenn ein derartiges System gar nicht existiert.
Mit dieser Begründung nämlich hatte das Arbeitsgericht Emden 2020 einem Aushilfsfahrer, dessen von ihm geführte Zeitaufzeichnungen einen positiven Saldo von 348 Stunden aufwiesen, einen Betrag in Höhe von € 5.222,67 zuerkannt, obwohl die Beklagte den klägerischen Vortrag, die ganze Zeit gearbeitet zu haben, bestritten hatte.
Nachdem bereits das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts Emden aufgehoben, aber die Revision zugelassen hatte, hat nunmehr das Bundesarbeitsgericht ein „Machtwort“ gesprochen.
Vom Erfordernis der arbeitgeberseitigen Veranlassung und Zurechnung von Überstunden durch den Arbeitnehmer sei auch nicht vor dem Hintergrund des Europarechts abzurücken. Denn dessen spezielle Funktion sei es, Aspekte der Arbeitszeitgestaltung zu regeln, um den Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten. Hingegen fänden diese Grundsätze keine Anwendung auf die Vergütung der Arbeitnehmer. Da der Kläger nicht hinreichend konkret dargelegt habe, dass es erforderlich gewesen sei, ohne Pausen durchzuarbeiten, um die Auslieferungsfahrten zu erledigen, reiche sein Vortrag nicht.
Somit bleibt es bei der bisher eher arbeitgeberfreundlichen Handhabung, sofern nicht der Arbeitnehmer entsprechend konkret vortragen kann.(Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 04.05.2022, 5 ARZ 359/21)
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