Wie ist mit Vorausabtretungen der Honorarforderungen eines Arztes umzugehen, wenn die Arztpraxis an den insolventen Praxisinhaber freigegeben wurde? Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit einem aktuellen Urteil seine Rechtsprechung dazu geändert.
Globalzessionen, mittels derer ein Freiberufler Ansprüche an seine Bank abgetreten hat, verlieren in aller Regel im Insolvenzfall ihre Wirksamkeit. Dies liegt an den dann geltenden Verfügungsbeschränkungen aus § 91 der Insolvenzordnung.
In einem jüngst vom BGH am 06.06.2019 entschiedenen Fall hatte ein Zahnarzt Vergütungsforderungen gegen die Kassenärztliche Vereinigung abgetreten. Später wurde dann das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens gab der Insolvenzverwalter die selbständige Tätigkeit des Zahnarztes aus der Insolvenzmasse frei. Das Insolvenzverfahren wurde mittlerweile beendet.
Vorliegend klagte der Abtretungsempfänger gegen einen Dritten, der mit seiner nach Freigabe erlangten Forderung in die die nach Freigabe erlangten Vergütungsansprüche des Zahnarztes gegen die Kassenzahnärztliche Vereinigung vollstreckte. Derartige Freigaben erfolgen vielfach in Insolvenzverfahren natürlicher Personen, weil die Fortführung durch den Insolvenzverwalter unverhältnismäßige Kosten verursacht und im Ergebnis damit zur Beendigung der selbständigen Tätigkeit führt. Dann wäre in der Regel die selbständige Existenz vernichtet.
Verstoß gegen die Schweigepflichten?
Der BGH führte zunächst aus, dass die Abtretung deshalb nicht gegen strafbewehrte Schweigepflichten verstoße, weil nach dem Text der Abtretung der Zahnarzt zur Einziehung der abgetretenen Forderungen ermächtigt bleibe.
Rechtsprechung geändert
Der BGH entschied weiter, dass mit Freigabe der selbständigen Tätigkeit eine gesonderte, den Neugläubigerin vorbehaltene Haftungsmasse begründet werde. In Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung stellt der BGH indes klar, dass das Erwerbsverbot des § 91 InsO auch während des Zeitraums der freigegebenen Tätigkeit bestehen bleibe und nicht auf den ursprünglichen Zessionar übergehe. Allerdings führe die Wiedererlangung der Verfügungsmacht durch den Schuldner nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens dazu, dass die Globalzession wieder auflebe und Forderungen erfasse, die der Schuldner nach Verfahrensaufhebung neu begründe.
Große Auswirkungen in der Praxis – Gesetzgeber sollte reagieren
In der Praxis bedeutet dies, dass eine derartige Abtretung dann trotz möglicherweise erteilter Restschuldbefreiung des Schuldners zeitlich unbegrenzt in die Zukunft geltend gemacht werden kann. Restschuldbefreiung bedeutet nämlich nur, dass die Verbindlichkeit zu einer sogenannten Naturalobligation wird, die erfüllbar bleibt und für die bestellte Sicherheiten weiterhin beansprucht werden können. Damit ist der Schuldner trotz Restschuldbefreiung gezwungen, die Abtretung weiter gegen sich gelten zu lassen. Entsprechendes müsste dem Urteil zufolge auch für Gehaltsabtretungen nach dem Ende der Insolvenz gelten. Die Entscheidung des BGH mag daher zwar dogmatisch richtig sein, zumal ja auch vom Schuldner an Grundstücken bestellte Grundpfandrechte ebenfalls trotz Restschuldbefreiung weiter gelten. Im Hinblick auf die Einkommenserzielung erscheint die Entscheidung jedoch kaum mit dem Grundgedanken der Restschuldbefreiung vereinbar. Daher sollte der Gesetzgeber den Wirkungen derartiger Sicherungsmittel in solchen Konstellationen einen Riegel vorschieben, da die beabsichtigte „neue Chance“ zur Fortsetzung der selbständigen aber auch der unselbständigen Berufstätigkeit unbehelligt von Altverbindlichkeiten so vereitelt wird.
BGH, Urteil vom 06.06.2019 – IX ZR 272/17
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