Das bereits am 10.11.2016 in Kraft getretene Gesetz zur Erleichterung des Ausbaus digitaler Hochgeschwindigkeitsnetze (DigiNetzG) stellt nicht nur private Netzinhaber vor neue Herausforderungen beim Umgang mit der eigenen Infrastruktur. Ganz besonders Kommunen und ihre Eigengesellschaften sind unmittelbar betroffen, sind sie doch regelmäßig Eigentümer und Betreiber umfangreicher öffentlicher Versorgungsnetze. Damit zählen sie zum unmittelbaren Kreis der nach dem DigiNetzG Verpflichteten. Dieses sieht eine Reihe von Regelungen vor, die den Ausbau von Glasfasernetzen beschleunigen sollen. Insbesondere werden Telekommunikationsunternehmen Mitnutzungsansprüche in Bezug auf öffentliche Versorgungsnetze eingeräumt. In der kommunalen Praxis führt dieser Umstand zur oft geäußerten Sorge, dass Investitionen der öffentlichen Hand in Glasfasernetze durch „Trittbrettfahrer“ entwertet werden. Dass das DigiNetzG für diesen Fall ein geeignetes „Abwehrinstrument“ vorenthält, skizziert dieser Beitrag.
Schon seit November 2016 ist das Gesetz zur Erleichterung des Ausbaus digitaler Hochgeschwindigkeitsnetze (DigiNetzG) in Kraft. Ein zentrales Instrument des DigiNetzG ist der Mitnutzungsanspruch nach § 77d TKG. Eigentümer oder Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze (nachfolgend: „TK-Unternehmen“) können bei den Eigentümern oder Betreibern öffentlicher Versorgungsnetze (aus Gründen der Lesbarkeit und Relevanz nachfolgend: „öffentliche Hand“) die Mitnutzung der passiven Netzinfrastrukturen für den Einbau von Glasfaser-Komponenten durchsetzen. Mitnutzung meint dabei die Benutzung der (einer anderen Person zugeordneten) Sache durch eine weitere Person zur Schaffung von Synergien. Typischerweise begehren größere TK-Unternehmen die Mitnutzung von Leitungs- oder Leerrohren (Strom, Gas, Wasser usw.) der öffentlichen Hand, um hierin Glasfasern zu verlegen.
So geht Mediation: Streitbeilegung durch Kontrahierungszwänge
Auf die Anfrage eines solchen Unternehmens hin muss die öffentliche Hand ihm innerhalb von zwei Monaten grundsätzlich ein Angebot unterbreiten (§ 77d Abs. 2 S. 1 TKG). Dabei begründet das TKG keinen unmittelbaren, privatrechtlich durchsetzbaren Mitnutzungsanspruch für TK-Unternehmen. Unterbreitet die öffentliche Hand nämlich kein (angemessenes) Angebot, so kann ihr die Mitbenutzung ihrer Infrastruktur lediglich im Rahmen einer verbindlichen Streitbeilegung bei der Bundesnetzagentur auferlegt werden (vor Inkrafttreten des DigiNetzG 2016 war das noch unverbindlich).
Dabei ist die Einführung eines solchen Anspruchs zur Mitnutzung öffentlicher Versorgungsnetze im Grunde durchaus begrüßenswert. Er erlaubt einen schnelleren und kostengünstigeren Ausbau digitaler Hochgeschwindigkeitsnetze und das ohne überflüssige Tiefbauarbeiten. Die Gewährung der Mitnutzung erfolgt auch nicht umsonst. Die öffentliche Hand erhält als Gegenleistung ein (notfalls von der Bundesnetzagentur festgesetztes) „faires und angemessenes Entgelt“.
Drohende Entwertung von Erstinvestitionen durch Trittbrettfahrer? – die sog. Überbauproblematik
Von Beginn an kontrovers war jedoch die Erstreckung des Mitnutzungsanspruchs auch auf physische Infrastrukturen für Telekommunikation (§ 3 Nr. 16b Lit. a) aa) TKG). Hier ist nicht unwahrscheinlich, dass eine beantragte Mitnutzung die Investitionen eines Erstinvestors entwerten wird, etwa weil die Mitnutzung zur parallelen Errichtung eines Zweitnetzes im selben Versorgungsgebiet führen würde. Die potentielle Kundschaft des Erstinvestors würde sich dann auf beide verfügbaren Netze aufteilen und er wird sein Netz nicht mehr rentabel betreiben können. Das hat notwendig Auswirkungen auf den vor- und nachgelagerten Wettbewerb und das Investitionsverhalten. Der Gesetzgeber war daher gehalten, entsprechende Spannungen durch die Regelung bestimmter Ablehnungsgründe aufzulösen. (Nur) Auf diese Ablehnungsgründe nach § 77g Abs. 2 TKG kann sich der Versorgungsnetz-Betreiber berufen, wenn er einen Antrag auf Mitnutzung erfolgreich abwehren möchte.
Ein „Problem“, das kaum ein Problem ist, denn: kein Überbau mit dem DigiNetzG
77g Abs. 2 TKG adressiert diese Überbauproblematik (Nr. 7). Hiernach können Mitnutzungsanträge abgelehnt werden, wenn im betreffenden Versorgungsgebiet bereits Glasfasernetze existieren, die einen diskriminierungsfreien offenen Netzzugang zur Verfügung stellen. Daraus folgt, dass sich etwaige Mitnutzungsansprüche von Seiten Dritter grundsätzlich auf solche Netzteile beschränken, die in Gebiete ohne ein bestehendes Glasfasernetz führen. Denn existiert in einem Gebiet bereits ein Glasfasernetz, so könnte das TK-Unternehmen im Hinblick auf die Mitnutzung auch bei größtmöglicher Anstrengung keine bessere Qualität zur Verfügung stellen, als im Fall der Nutzung des bestehenden Glasfasernetzes. Gerade das wollen die §§ 74d ff. TKG aber erreichen.
In der Konsequenz ist der Bundesnetzagentur (und der Kommune) damit ein schlagkräftiges Mittel an die Hand gegeben, um einen unerwünschten „Überbau“ im Rahmen des Streitbeilegungsverfahrens zu verhindern. Es besteht daher kaum Grund zur Sorge, dass Infrastrukturinvestitionen durch einen unerwünschten „Überbau“ entwertet werden. Aus diesem Grund steht oftmals auch kein Anlass zur Panik, wenn die 11. Beschlusskammer Bundesnetzagentur (Nationale Streitbeilegungsstelle des DigiNetz-Gesetzes) zur Übersendung der bisher geschlossenen Verträge über Mitnutzungen „bittet“. Derartige (für die öffentliche Hand verpflichtende) Informationsverlangen beziehen sich auf § 77d Abs. 4 TKG. Die hier geregelte Vorlagepflicht dient (nur) dazu, der Bundesnetzagentur im Hinblick auf etwaige zukünftige Streitbeilegungsverfahren das notwendige Marktwissen zu verschaffen.
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