Immer wieder Ärger mit dem Urlaub!

In den vergangenen Jahren hat die arbeitsrechtliche Praxis selten ein Problem derart beschäftigt wie der Verfall von Urlaubsansprüchen, insbesondere bei langfristiger Krankheit. 
Unter europarechtlichem Einfluss hat sich bekanntlich das Arbeitsrecht jedenfalls in Krankheitsfällen weitgehend von den gesetzlichen Bestimmungen des § 7 Absatz 3 des Bundesurlaubsgesetzes entfernt, wonach im Fall einer möglichen Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden muss, anderenfalls er verfällt. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat zum einen diesen Übertragungszeitraum auf 15 Monate ausgeweitet.

Zudem wird aufgrund des Grundrechtscharakters des Urlaubs ein Verfall grundsätzlich nur dann für möglich gehalten, wenn der Arbeitgeber im laufenden Bezugszeitraum rechtzeitig vor dessen Ablauf den Arbeitnehmer über noch bestehende Urlaubsansprüche und deren Verfall informiert hat. Allerdings betont der EuGH, dass durch besondere Umstände eine Ausnahme von der Regel möglich sei, wonach bei Langzeiterkrankten Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub nicht erlöschen können. Es müsse nämlich eine unbegrenzte Ansammlung von Ansprüchen auf bezahlten Jahresurlaub, die während eines Zeitraums der Abwesenheit während einer Langzeiterkrankung erworben wurden, vermieden werden. Insoweit müsse auch der Arbeitgeber vor der Gefahr der Ansammlung von zu langen Abwesenheitszeiträumen und den daraus resultierenden finanziellen Folgen geschützt werden. Eine derartige Ausnahme kommt in Betracht, wenn ein Arbeitnehmer während mehrerer aufeinanderfolgender Bezugszeiträume arbeitsunfähig sei.

In mehreren am 22.09.2022 vom EuGH entschiedenen Fällen hatte der Arbeitgeber jeweils zudem den Arbeitnehmer nicht rechtszeitig über bestehende Urlaubsansprüche informiert. Allerdings verwies der EuGH an das deutsche Ausgangsgericht zur Beurteilung, ob eine derartige Ausnahme denn nun vorliege, wieder zurück. Offenbar soll es bei Vorliegen einer Ausnahme bei dem Übertragungszeitraum von 15 Monaten verbleiben.

Unter diesen Voraussetzungen kann daher nur jedem Arbeitgeber im eigenen Interesse geraten werden, rechtzeitig spätestens zu Beginn des 4. Quartals eines Jahres, also im Oktober, alle Arbeitnehmer, auch Langzeitkranke, über die noch bestehenden Urlaubsansprüche sowie Verfallsvoraussetzungen und Verfallsfolgen schriftlich zu informieren.

Es ist zwar fraglich, welchen Sinn eine Informationspflicht bei langfristig erkrankten Mitarbeitern, die den Urlaub gar nicht mehr nehmen können, haben soll. Der EuGH verweist schlicht darauf, dass sich der Gesundheitszustand des Arbeitnehmers ja ändern könne. Arbeitsvertraglich kann zudem zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub von 20 Tagen, für den die o.a. strengen Regeln greifen, und einem Zusatzurlaub differenziert werden. Bei letzterem ist es nämlich im Arbeitsvertrag zulässig, einen Verfall bereits nach Ablauf des laufenden Kalenderjahres zu vereinbaren.

 

Bildquelle: shutterstock/Sergey Nivens

 

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