Durchsetzung von Überstundenvergütung für Arbeitnehmer vereinfacht

Will ein Arbeitnehmer vor Gericht die Vergütung von Überstunden durchsetzen, muss er beweisen, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er welche Mehrarbeiten geleistet hat. Ein aktuelles Urteil im Fall eines Busfahrers kehrt die bisherige Rechtsprechung nun aber um.

Geleistete Arbeitszeit ist grundsätzlich zu vergüten. Hierbei muss der Arbeitnehmer, der meint, mehr als vereinbart und (pauschal) abgegolten gearbeitet zu haben, dieses im Rahmen tarifvertraglicher bzw. einzelvertraglicher Ausschlussfristen anmelden und im Weigerungsfalle gerichtlich geltend machen. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass der Arbeitnehmer, insbesondere auf entsprechendes Bestreiten des Arbeitgebers, beweisen muss, an welchen Tagen, zu welchen Tageszeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus unter Abzug von Pausenzeiten Mehrarbeit welchen Inhaltes geleistet haben möchte, die entweder vom Arbeitgeber konkret zugewiesen oder zumindest stillschweigend geduldet worden war.

Beweislast bisher allein beim Arbeitnehmer

In der (Gerichts-) Praxis ist es für Arbeitnehmer immer sehr schwierig, solche Ansprüche gerichtlich durchzusetzen und Arbeitgeber konnten sich in der Vergangenheit einem solchen Verfahren relativ entspannt stellen, solange der Arbeitnehmer nicht entsprechend bestätigte Stundenzettel oder Auszüge aus elektronischen Zeiterfassungssystemen vorweisen konnte. Da die Beweislast für die genannten Voraussetzungen allein beim Arbeitnehmer liegt, besteht grundsätzlich auch keine Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers, der unschwer solche Unterlagen, falls diese im Unternehmen geführt werden, bereitstellen könnte.

Nun hat aktuell das Bundesarbeitsgericht (5 AZR 602/13 vom 25.03.2015) im Falle eines Busfahrers auf Linienverkehr entschieden, dass in einem Ausnahmefall eine erhebliche Erleichterung für die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitnehmers gegeben sein könnte: Sofern der Arbeitnehmer „Vollzeit“ beschäftigt (nach dem Arbeitszeitgesetz grundsätzlich 40 Wochenstunden bei einer 5-Tage-Woche) und bezahlt worden ist, aber auch durch einfaches Addieren von Arbeitszeiten feststeht, dass der Arbeitnehmer tatsächlich regelmäßig mehr als 40 Wochenstunden gearbeitet hatte, kann eine Schätzung der Mehrstunden durch das Gericht in Betracht kommen, wenn es dem Arbeitnehmer nicht für jede einzelne Mehrarbeitsstunde gelingen sollte, für deren Vergütungsverpflichtung die oben genannten Voraussetzungen darzulegen und zu beweisen.

Umkehr der Rechtsprechung

Die Entscheidung bedeutet eine Umkehr der bisherigen Rechtsprechung und erhebliche Vereinfachung für den Arbeitnehmer, Ansprüche auf Mehrarbeitsvergütung gerichtlich durchzusetzen. Für den Arbeitgeber steigt die Gefahr, solche vergüten zu müssen, ohne sich auf die jahrelange Praxis der Arbeitsgerichte zurückziehen zu können. Deren Arbeitnehmerfreundlichkeit (Schutzpflicht aus Art. 12 GG) ist bekannt und wenn die einzigen Kriterien für eine Schätzung des Gerichtes die regelmäßige Mehrarbeitsleistung sowie Schwierigkeiten für den Arbeitnehmer, diese darzulegen und zu beweisen, sind, dann wird die Anzahl bisher abgewiesener Vergütungsklagen zugunsten „erzwungener“ Vergleiche zulasten der Arbeitgeber erheblich steigen.

Auswirkungen auch beim Thema Mindestlohn

In diesem Zusammenhang ist auch von Interesse, dass nach dem neuen Mindestlohngesetz auch die Gefahr besteht, dass der Arbeitgeber wegen möglicher Verstöße gegen dieses bzw. des Arbeitszeitgesetzes obendrein mit Bußgeldern belegt werden könnte. Erste Anfragen des Hauptzollamtes bei Arbeitsgerichten nach solchen Vergütungsklagen sind bereits erfolgt.

 

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