Der mitarbeitende GmbH-Gesellschafter in der Sozialversicherung

Erfahrungsgemäß herrscht in der Praxis oftmals die unzutreffende Annahme, dass die Sozialversicherungspflicht bereits dadurch ausgeschlossen sei, dass eine in einer GmbH beschäftigte Person zugleich Gesellschafter der GmbH ist. Diese Annahme ist verfehlt: Auch Gesellschafter-Geschäftsführer und mitarbeitende Gesellschafter einer GmbH können – und tun dies häufig – in einem abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zu „ihrer“ GmbH stehen. Aktuell prüft die Deutsche Rentenversicherung (DRV) vermehrt den sozialversicherungsrechtlichen Status von mitarbeitenden Geschäftsführern und Gesellschaftern bei GmbHs.

Zunächst ist im Einklang mit der aktuell höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) von dem Grundsatz auszugehen, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH seine Geschäftsführertätigkeit nur dann nicht in einer abhängigen Beschäftigung im Sinne des § 7 SGB IV ausübt, wenn er aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen – nicht schuldrechtlich vermittelten – Stellung einen (umfassenden) beherrschenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen kann. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn er über mindestens 50 v.H. des Stammkapitals der GmbH verfügt oder er als sog. Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer über eine uneingeschränkte Sperrminorität, welche sich aus gesellschaftsvertraglichen – nicht schuldrechtlich vermittelten – Regelungen ergibt, verfügt.

Das BSG hat bereits im Jahr 2012 entschieden, dass diese Grundsätze auch bei einer familiären Verbundenheit greifen. D.h. eine faktische Beherrschung der GmbH, wie sie oft in Familiengesellschaften vorkommt, genügt nicht (mehr), um eine abhängige Beschäftigung ausschließen. Die bis dato geltende sog. „Kopf und Seele Rechtsprechung“, welche bei einer rein faktischen Beherrschung zur Nichtannahme einer abhängigen Beschäftigung führte, hat das BSG ausdrücklich aufgegeben (vgl. u.a. BSG v. 10.12.2019 – B 12 KR 9/18 R).

In einem neueren Urteil hat das BSG entschieden, dass auch ein mitarbeitender Mehrheitsgesellschafter ohne Geschäftsführerfunktion seine Tätigkeit für die GmbH regelmäßig als abhängig Beschäftigter erbringt und damit sozialversicherungspflichtig ist (vgl. BSG v. 12.05.2020 – B 12 KR 30/19 R). Dieser Rechtsprechung hat sich auch das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen kürzlich angeschlossen und vergleichbar geurteilt (vgl. LSG NRW v. 26.02.2020 – L 8 BA 126/19).

Das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist nach dieser – neueren – Rechtsprechung grundsätzlich dann gegeben, wenn ein mitarbeitender Gesellschafter, der nicht zum Geschäftsführer bestellt ist, nicht über eine gesellschaftsvertraglich vermittelte Rechtsmacht verfügt, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter nach Belieben gegenüber der Geschäftsführung aufzuheben oder abzuschwächen. Anders als bei Gesellschafter-Geschäftsführern, bei denen – wie bereits ausgeführt – eine Mehrheitsbeteiligung oder eine umfassende gesellschaftsvertraglich vermittelte Sperrminorität ausreicht, um das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung zu vermeiden, ist bei mitarbeitendem Gesellschafter, die nicht zum Geschäftsführer bestellt sind, erforderlich, dass diese vielmehr ein gesellschaftsvertraglich vermittelte „aktives Gestaltungsmacht“ besitzen und nicht nur eine „Verhinderungsmacht“. Denn nur so sind sie in der Lage, durch die ihnen eingeräumte Rechtsmacht „aktiv“ ihre Weisungsgebundenheit als Angestellter nach Belieben gegenüber der Geschäftsführung aufzuheben oder abzuschwächen.

Im dem vom BSG entschiedenen Fall war die mitarbeitende Gesellschafterin, die nicht zur Geschäftsführerin bestellt war, mit 70 % am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt, die weiteren 30 % hielt der Sohn und zum Geschäftsführer war der Ehemann bestellt. Der Gesellschaftsvertrag sah zwar grundsätzlich vor, dass Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen getroffen werden, jedoch sah dieser für alle Beschlüsse, die die Geschäftsführung betreffen, eine qualifizierte Mehrheit von 75 v.H. der Stimmen aller Gesellschafter vor.

Somit war die mitarbeitende Mehrheits-Gesellschafterin nicht in der Lage, Weisungen der Geschäftsführung über einen Gesellschafterbeschluss zu verhindern. Damit unterstand sie dem Weisungsecht des Geschäftsführers und wurde nach Ansicht des BSG zu Recht im Rahmen einer Betriebsprüfung der DRV als versicherungs- und beitragspflichtige Arbeitnehmerin im Rahmen einer Vollzeittätigkeit qualifiziert.

Dieses Urteil zeigt exemplarisch die oftmals unterschätzten Tücken des Sozialversicherungsrechts. Insbesondere im Rahmen der Unternehmensnachfolge in GmbH-Anteile bei fortgesetzter Tätigkeit der Übergeber für die GmbH sollte daher immer auch eine sozialversicherungsrechtliche Prüfung vorgenommen werden, um später im Rahmen einer Betriebsprüfung nicht unangenehme Überraschungen zu erleben. Durch gezielte Rechtsberatung und entsprechende Rechtsgestaltung lassen sich ungewünschte Ergebnisse vermeiden bzw. die gewünschte sozialversicherungsrechtliche Stellung herbeiführen.

Sollten Sie in diesem Zusammenhang Fragen und/oder Unterstützungsbedarf haben, sprechen Sie uns gern an!

 

Bildquelle: Macrovector/shutterstock.com

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