Seit Beginn der Corona-Pandemie haben sich viele Gerichte mit der Frage befasst, ob die staatlichen Schließungsanordnungen den gewerblichen Mieter zu Mietkürzungen berechtigen. Die meisten angerufenen Gerichte haben bisher zu Ungunsten der Mieter entschieden. Endlich hat nun der Bundesgerichtshof (BGH) Gelegenheit bekommen, sich zu der Frage zu äußern.
Der zuständige XII. Zivilsenat des BGH hat mit Urteil vom 12.01.2022 (Az. XII ZR 8/21) entschieden, dass die durch die Pandemie bedingte Schließung eines Einzelhandelsgeschäfts zwar nicht zu einem Mangel der Mietsache führe, der zur Mietminderung berechtige, ein Anspruch des Mieters auf Anpassung der Miete aber wegen Störung der Geschäftsgrundlage gleichwohl in Betracht komme:
Zur Geschäftsgrundlage der Parteien als Vermieterin und Mieterin von Geschäftsräumen habe die Vorstellung gehört, dass es nicht zu einer Pandemie mit weitgehender Stilllegung des öffentlichen Lebens infolge pandemiebedingter Nutzungsuntersagungen und -beeinträchtigungen kommen würde. Das Auftreten der Pandemie mit den entsprechenden weitreichenden staatlichen Eingriffen in das wirtschaftliche und soziale Leben bedeute eine schwerwiegende Änderung der für die Vertragslaufzeit vorgestellten Umstände.
Allerdings sei eine pauschale Kürzung der Kaltmiete um 50 %, wie es die Vorinstanz (OLG Dresden, Urteil vom 24.02.2021, Az. 5 U 1782/20) entschieden hatte, grundsätzlich abzulehnen. Vielmehr seien stets alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Dazu gehöre beispielsweise, in welcher Höhe der Mieter finanziellen Vorteile aus Betriebsversicherungen oder staatlichen Leistungen erlangt hat und welche Maßnahmen er ergriffen hat, um drohende Verluste zu vermindern. Der BGH stellt in seinem Urteil aber auch klar, dass der Mieter – wie bisher von vielen erstinstanzlichen Gerichten gefordert – nicht erst kürzen darf, wenn seine wirtschaftliche Existenz gefährdet ist.
Angesichts der Tatsache, dass aktuell die meisten Läden unter Hygieneauflagen wieder geöffnet haben, stellt sich die bedeutsame Frage, welche Folgen das BGH-Urteil auf bereits vergangene Schließungen hat.
Können Mieter nun unter Berufung auf das Urteil rückwirkend Teile ihrer bereits gezahlten Miete zurückfordern?
Das dürfte nur in engen Grenzen und auch nur dann möglich sein, wenn sich die Parteien nicht schon vorher eigenständig auf einen bestimmten Minderungsbetrag geeinigt haben. Außerdem darf die Rückforderung zu viel gezahlter Miete den Vermieter nicht stark oder unerwartet belasten. Deshalb sollte vorher unbedingt der konkrete Einzelfall geprüft und im Zweifelsfall anwaltlicher Rat herangezogen werden.
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