Angesichts des in Deutschland stark ausgeprägten Sozialstaatprinzips steht der Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern seit jeher im Fokus der Regierungsarbeit. Dies betrifft insbesondere den Niedriglohnsektor. Für „Minijobber“ wurden mit Wirkung zum 01.01.2019 bestehende Regelungen verschärft. Hierzu und insbesondere zu den daraus etwaig resultierenden Risiken berichteten wir bereits (vgl. https://eep-bloggt.de/minijobs-koennen-unter-umstaenden-sozialversicherungspflichtig-werden/).
Nachdem zu Beginn des Jahres 2020 bei zahlreichen Mandanten Prüfungen der Deutschen Rentenversicherung stattgefunden haben, die das Jahr 2019 umfassten, ist festzustellen, dass die Prüfer sich häufig sämtliche Arbeitsverträge und Stundenzettel der „Minijobber“ zur Prüfung haben vorlegen lassen. Hierbei haben einige Prüfer – entgegen unseres Rechtsverständnisses – die Ansicht vertreten, dass nicht nur die wöchentliche, sondern auch die tägliche Arbeitszeit vereinbart sein muss, um zu vermeiden, dass die Vermutungsregelung des § 12 Abs. 1 Satz 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) greift, wonach – statt wie früher wöchentlich 10 Stunden – nun eine Mindestarbeitszeit von wöchentlich 20 Stunden als vereinbart gilt. Letzteres hätte zur Folge, dass aus dem „Minijob“ ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis würde.
Ein sog. „Minijob“ liegt vor, wenn das Arbeitsentgelt regelmäßig im Monat EUR 450,00 nicht überschreitet. Für die Prüfung dieser EUR 450,00-Grenze kommt es nicht auf das tatsächlich gezahlte Arbeitsentgelt, sondern auf das Arbeitsentgelt an, auf dass ein Rechtsanspruch besteht. Im Gegensatz zum Lohnsteuerrecht, wo das sog. Zuflussprinzip gilt, wird bei der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung ausschließlich darauf abgestellt, ob ein Anspruch auf Arbeitsentgelt entstanden ist (sog. Entstehungsprinzip). Was in der Theorie abstrakt klingen mag, kann in der Praxis erhebliche Beitragsbelastungen nach sich ziehen.
Durch das Mindestlohngesetz haben auch „Minijobber“ grundsätzlich Anspruch auf den Mindestlohn. Dieser beträgt derzeit EUR 9,35 je Arbeitsstunde. Wird also nur der Mindestlohn gezahlt, führt jede Erhöhung des Mindestlohns bei einem „Minijob“ zu einer Reduzierung der maximalen Stundenzahl, da die EUR 450,00-Grenze seit Jahren unverändert ist. Zur Überprüfung, ob der Mindestlohn eingehalten wird, erneuern wir daher unsere bisherige Empfehlung, die Arbeitsstunden im Rahmen eines „Minijobs“ laufend aufzuzeichnen und diese Nachweise für Prüfungszwecke vorzuhalten.
Nicht selten werden „Minijob“-Arbeitsverträge geschlossen, in denen keine konkreten Vereinbarungen über die zu leistende Arbeitszeit getroffen worden sind und die Arbeitnehmer „auf Abruf“ ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen. Wie geschildert wird in solchen Fällen seit dem 01.01.2019 nach der Änderung des TzBfG nun eine Wochenarbeitszeit von 20 Stunden (bisher: 10 Stunden) angenommen. Im Zusammenspiel mit dem gesetzlichen Mindestlohn resultiert daraus ein Monatsverdienst von weit über EUR 450,00, der aufgrund des beschriebenen Entstehungsprinzips zu einer vollen Sozialversicherungspflicht der Beschäftigung führen würde. Arbeitgeber haften in solchen Fällen für die nicht abgeführten Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung; im schlimmsten Fall für die letzten vier Jahre. Außerdem laufen Arbeitgeber Gefahr, dass der Arbeitnehmer den Lohn nachfordern kann.
Es ist daher dringend anzuraten, in bestehende „Minijob“-Verträge eindeutige Regelungen zur wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit aufzunehmen, um die gesetzliche Vermutung zur Arbeitszeit rechtssicher auszuschließen. Arbeitsverträge mit „Minijobbern“ sollten entsprechend angepasst werden. Bei Neueinstellung sind ist eine entsprechende Klausel in den Arbeitsvertrag aufzunehmen.
Vertragliche Handlungsoptionen für Arbeitgeber:
- Vereinbarung einer (klassischen) „Arbeit auf Abruf“ im Sinne des § 12 TzBfG
- Vorteil: Flexibilität des Arbeitgebers in Bezug auf „abgerufene“ Arbeitszeit und damit auch das zu zahlende Arbeitsentgelt.
- Nachteil: Verpflichtung zur Einhaltung der sich aus § 12 TzBfG ergebenden Rahmenbedingungen: Nur beschränkte Mehr- und Wenigerarbeit als vereinbart möglich; Einhaltung von Ankündigungsfristen.
Handlungsempfehlung: Ausdrückliche vertragliche Fixierung der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit.
- Vereinbarung eines „Minijobs“ außerhalb der (klassischen) „Arbeit auf Abruf“ im Sinne des § 12 TzBfG
- Vorteil: Die sich aus § 12 TzBfG ergebenden Rahmenbedingungen zur „Arbeit auf Abruf“ (nur beschränkte Mehr- und Wenigerarbeit als vereinbart möglich; Einhaltung von Ankündigungsfristen) brauchen nicht berücksichtigt werden.
- Nachteil: Weitestgehender Verlust der Flexibilität des Arbeitgebers in Bezug auf „abgerufene“ Arbeitszeit und damit auch das zu zahlende Arbeitsentgelt.
Handlungsalternativen für Arbeitgeber:
- Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos bei sog. „verstetigtem“ (d.h. monatlich gleichbleibendem) Gehalt
- Vertragliche Fixierung fester wöchentlicher Arbeitszeiten und einvernehmlicher Abstimmung in Bezug auf die tägliche Arbeitsleistung
Beide Alternativen haben jedoch den „Nachteil“ für den Arbeitgeber, dass monatlich ein „Mindestgehalt“, nämlich die vereinbarten Stunden zu zahlen wären.
Fazit:
Abrufarbeit im Rahmen eines „Minijobs“ nach der bisherigen praktischen Übung ist nicht mehr möglich. Die Arbeitszeiten von „Minijobbern“ sind ausdrücklich vertraglich zu vereinbaren. Zudem ist darauf zu achten, dass die geschuldete Vergütung die Grenze von EUR 450,00 nicht übersteigt.
Sollten Sie Fragen und/oder Unterstützungsbedarf in Bezug auf Ihre „Minijobber“ haben, sprechen Sie uns gerne an!
Bild: Andrey_Popov /shutterstock