In der Einkommensteuererklärung können außergewöhnliche Belastungen, wie beispielsweise Krankheitskosten, geltend gemacht werden. Aber nur dann, wenn diese Belastungen über das Maß zumutbarer Belastungen hinausgehen. Wie deren Höhe zu ermitteln ist, hat der Bundesfinanzhof nun entschieden.
Gesetzliche Grundzüge
Nach der Legaldefinition in § 33 Absatz 1 EStG liegen außergewöhnliche Belastungen vor, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen.
Nach § 33 Absatz 3 Satz 1 EStG gelten zwischen ein und sieben Prozent des Gesamtbetrages der Einkünfte als zumutbare Belastungen, abhängig von der Anzahl der Kinder oder des Ehegatten-/Lebenspartnerplittings.
Nach der gesetzlichen Regelung steigt der Prozentsatz der zumutbaren Belastungen abhängig von der Höhe des Gesamtbetrages der Einkünfte in drei Schritten
(Beispiel: Alleinveranlagung eines Steuerpflichtigen ohne Kinder):
- Gesamtbetrag der Einkünfte bis EUR 15.340 (zum Beispiel: 5 Prozent)
- Gesamtbetrag der Einkünfte über EUR 15.340 bis 51.130 (zum Beispiel: 6 Prozent)
- Gesamtbetrag der Einkünfte über EUR 51.130 (zum Beispiel: 7 Prozent)
Bisher: Auffassung der Finanzverwaltung
Die Finanzverwaltung hat bisher nur eine Prozentzahl nach dem Gesamtbetrag der Einkünfte angewendet, im obigen Beispiel 7 Prozent, wenn der Gesamtbetrag der Einkünfte des Steuerpflichtigen über EUR 51.130 lag. Bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von EUR 60.000 und einer Prozentzahl von 7 ergibt sich danach eine zumutbare Belastung des Steuerpflichtigen in Höhe von EUR 4.200.
Neu: Urteil des Bundesfinanzhofes
Abweichend von der Auffassung der Finanzverwaltung hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die gesetzliche Regelung stufenweise (ggf. also verschiedene Prozentsätze) angewendet werden muss, wenn der Gesamtbetrag der Einkünfte über EUR 15.340 liegt. Deutlich wird der Unterschied zur Auffassung der Finanzverwaltung in dem oben genannten Beispiel bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von EUR 60.000. Denn nach dem Urteil des Bundesfinanzhofes würde sich die zumutbare Belastung des Steuerpflichtigen wie folgt berechnen:
EUR 767 (5 % auf EUR 15.340)
+ EUR 2.147,40 (6 % auf den Differenzbetrag zwischen EUR 51.130 und EUR 15.340)
+ EUR 620,90 (7 % auf den Differenzbetrag zwischen EUR 60.000,00 und 51.130)
= EUR 3.535 (gerundet) zumutbare Belastung
Aufgrund des Urteils des Bundesfinanzhofes wären die zumutbaren Belastungen um EUR 665 geringer, wodurch sich die (potentielle) Abzugsfähigkeit von außergewöhnlichen Belastungen entsprechend erhöhen würde.
Bedeutung in der Praxis
Aufgrund des Urteils des Bundesfinanzhofes kann die zumutbare Belastung des Steuerpflichtigen niedriger ausfallen als bisher von der Finanzverwaltung vertreten, was umgekehrt im Einzelfall eine höhere Abzugsfähigkeit von außergewöhnlicher Belastungen zugunsten des Steuerpflichtigen zur Folge haben kann.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.01.2017, VI R 75/14
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