Krankengespräch trotz Arbeitsunfähigkeit?

Ist ein Arbeitnehmer, der über längere Zeit krankgeschrieben ist, dazu verpflichtet, zu einem Personalgespräch im Betrieb zu erscheinen? Das Bundesarbeitsgericht hat ein klares Urteil dazu gefällt, das unter Arbeitsrechtlern jedoch für einige Diskussionen sorgen dürfte.

Ein Arbeitgeber hat gerade während einer langanhaltenden Erkrankung von Mitarbeitern oftmals Gründe, um mit diesen ein Personalgespräch zu führen. Dies gilt insbesondere im Rahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements, welches bekanntlich dazu dienen soll, künftiger Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen und Wiedereingliederungsmaßnahmen zu bestimmen.

Das Bundesarbeitsgericht hatte sich dazu nun mit einem interessanten Fall zu beschäftigen: Ein Krankenpfleger war in der Zeit von Ende November 2013 bis Mitte Februar 2014 zum wiederholten Mal arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte lud ihn mit Schreiben vom 18.12.2013 zur Klärung der weiteren Beschäftigungsmöglichkeit zu einem Personalgespräch am 06.01.2014 ein. Der Kläger lehnte dies unter Hinweis auf seine Krankheit ab. Auch eine erneute Einladung für den 11.02.2014 schlug er aus. Hierauf erteilte die Beklagte eine Abmahnung. Der Kläger wandte sich hiergegen.

Erfolgreich durch alle Instanzen geklagt

Nachdem bereits die Vorinstanzen dem Krankenpfleger Recht gegeben hatten, hatte der Mann nun auch vor dem Bundesarbeitsgericht mit seiner Klage Erfolg. Die Abmahnung musste aus der Personalakte entfernt werden.

Das Gericht führte aus, ein erkrankter Arbeitnehmer müsse während seiner Arbeitsunfähigkeit seiner Arbeitspflicht nicht nachkommen und sei grundsätzlich nicht verpflichtet, im Betrieb zu erscheinen oder sonstige, mit seiner Hauptleistung unmittelbar zusammenhängende Nebenpflichten zu erfüllen.

Zwar sei es dem Arbeitgeber nicht untersagt, in einem zeitlich angemessenen Umfang mit dem Arbeitnehmer auch in Zeiten von dessen Arbeitsunfähigkeit in Kontakt zu treten, um mit ihm die Möglichkeit einer weiteren Beschäftigung nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit zu erörtern. Eine Verpflichtung, hierzu im Betrieb zu erscheinen, sei jedoch grundsätzlich nicht gegeben, es sei denn, dies sei ausnahmsweise aus betrieblichen Gründen unverzichtbar und der Arbeitnehmer sei dazu gesundheitlich in der Lage.

Diskussionswürdige Entscheidung

Die Entscheidung ist nur teilweise nachzuvollziehen. Soweit ein Arbeitnehmer gesundheitlich nicht in der Lage ist, ein derartiges Gespräch zu führen, kann er auch hierzu nicht verpflichtet sein. Es ist jedoch nicht verständlich, wieso zusätzliche betriebliche Gründe hierfür streiten müssen. Denn der Arbeitgeber ist ja zu einem Betrieblichen Eingliederungsmanagement verpflichtet, wozu es eines persönlichen Gesprächs unter Hinzuziehung weiterer Beteiligter (Betriebsrat, Betriebsarzt und Integrationsamt) bedarf.

Arbeitgebern ist zu raten, stets eine formale Einladung zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement auszusprechen und zudem anzubieten, dass Gespräche gegebenenfalls auch beim Mitarbeiter zuhause geführt werden können.

BAG vom 02.11.2016 – 10 AZR 596/15

 

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