Die Geltendmachung der Haftung des Kommanditisten für Gesellschaftsverbindlichkeiten durch den Insolvenzverwalter über das Vermögen einer Kommanditgesellschaft setzt voraus, dass eine Zahlung zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger erforderlich ist. Doch wer muss im Streitfall darlegen und ggf. beweisen, ob und inwieweit die Geltendmachung der Haftung eines Kommanditisten erforderlich ist oder nicht? Darüber hatte das Landgericht Hamburg zu entscheiden.
Ein Kommanditist haftet den Gläubigern der Kommanditgesellschaft gemäß § 171 Abs. 1 HS. 1 HGB unmittelbar bis zu dem Betrag seiner in das Handelsregister der Kommanditgesellschaft eingetragenen Haftsumme. Eine solche Haftung des Kommanditisten ist aber ausgeschlossen, soweit der Kommanditist eine Einlage in Höhe dieser Haftsumme geleistet hat (§ 171 Abs. 1 HS. 2 HGB) und die Haftung des Kommanditisten nicht nach § 172 Abs. 4 HGB (zum Beispiel durch die Rückzahlung der Einlage) wiederaufgelebt ist. Die Gläubiger der Kommanditgesellschaft können den haftenden Kommanditisten auch dann unmittelbar in Anspruch nehmen, wenn der Kommanditgesellschaft tatsächlich genügend Mittel zur Begleichung ihrer Verbindlichkeiten zur Verfügung stehen. Wenn über das Vermögen der Kommanditgesellschaft ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, wird eine nach § 171 Abs. 1 HS. 1 HGB bestehende Haftung des Kommanditisten ausschließlich durch den Insolvenzverwalter oder den Sachwalter geltend gemacht.
Nach der Rechtsprechung kann der Insolvenzverwalter die Haftung eines Kommanditisten aber nur geltend machen, soweit dies zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger erforderlich ist. Kernpunkt einer aktuellen Entscheidung des Landgerichts Hamburg ist nun die Frage, wer im Streitfalle darlegen und ggf. beweisen muss, ob und inwieweit die Geltendmachung der Haftung eines Kommanditisten erforderlich ist oder nicht.
Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Geltendmachung der Haftung des Kommanditisten durch den Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Kommanditgesellschaft ausgeschlossen, soweit die Inanspruchnahme zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger nicht erforderlich ist (BGH, Urt. v. 22.03.2011 – II ZR 215/09). Dabei hat der Kommanditist darzulegen und (wenn streitig auch) zu beweisen, dass seine Inanspruchnahme zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger nicht erforderlich ist (BGH, Urt. v. 20.02.2018 – II ZR 272/16). Den Insolvenzverwalter trifft aber die sekundäre Darlegungslast, die zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger relevanten Informationen vorzutragen, soweit er hierzu im Stande ist und der Kommanditist geltend macht, dass seine Inanspruchnahme nicht erforderlich sei (BGH, Urt. v. 11.12.1989 – II ZR 78/89). Die sekundäre Darlegungslast lässt zwar die Beweislastverteilung unberührt, allerdings hat der sekundär Darlegungsbelastete substantiiert vorzutragen (BGH, Urt. v. 10.02.2015 – VI ZR 343/13).
Das vorliegende Urteil des LG Hamburg folgt offenbar den Rechtsprechungsgrundsätzen des BGH hinsichtlich der sekundären Darlegungslast des Insolvenzverwalters. Auch wenn weder der Tatbestand noch die Entscheidungsgründe dies ausdrücklich wiedergeben, scheint das Insolvenzverfahren im konkreten Fall bereits in einem fortgeschrittenen Stadium gewesen zu sein. In einem fortgeschrittenen Stadium des Insolvenzverfahrens wird der Insolvenzverwalter immer mehr im Stande sein, die Kosten des Insolvenzverfahrens und die Masseverbindlichkeiten zu konkretisieren. Dies gilt insbesondere, wenn sich der Sachvortrag des Insolvenzverwalters im Laufe eines Rechtsstreites ändert. Die Kommanditisten haften zwar weder für Kosten des Insolvenzverfahrens, noch für die Masseverbindlichkeiten (BGH, Teilurteil v. 24.09.2009 – IX ZR 234/07), allerdings reduzieren die Kosten des Insolvenzverfahrens sowie die Masseverbindlichkeiten die an die Insolvenzgläubiger zu verteilende Insolvenzmasse. Offen und wohl jeweils auch nur einer Entscheidung im Einzelfall zugänglich bleibt die Frage, welche Anforderungen an einen substantiierten Vortrag des Insolvenzverwalters in früheren Stadien des Insolvenzverfahrens zu stellen sind.
Empfehlungen für Insolvenzverwalter und Kommanditisten
Erscheint es in einem Insolvenzverfahren möglich, dass die Heranziehung aller Kommanditisten in voller Höhe zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger nicht erforderlich ist, sollte der Insolvenzverwalter bei der gerichtlichen Geltendmachung auf einen substantiierten Vortrag im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast achten, um das Prozesskostenrisiko zu minimieren.
Für den Kommanditisten bietet sich ggf. eine Verteidigungsmöglichkeit, wenn die Heranziehung aller Kommanditisten in voller Höhe nicht zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger erforderlich ist. Zumindest wenn der Kommanditist keine weiteren Verteidigungsmöglichkeiten hat, sollte er nach dem ersten Aufforderungsschreiben des Insolvenzverwalters die zur Prüfung notwendigen Informationen beim Insolvenzverwalter anfordern, um sich ggf. nicht in einen für ihn aussichtslosen Rechtstreit zu begeben (Prozesskostenrisiko). Der Informationsanspruch des Kommanditisten gemäß § 166 Abs. 1 HGB richtet sich im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Kommanditgesellschaft gegen den Insolvenzverwalter (BGH, Urt. v. 20.02.2018 – II ZR 272/16).
Den ausführlichen Fachartikel zum konkreten Fall finden Sie in der aktuellen Ausgabe des „juris PraxisReport Handels- und Gesellschaftsrecht“.
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