Bis zuletzt hofften alle darauf, dass die Frist für die Meldepflicht von grenzüberschreitenden Steuergestaltungen verschoben wird. Aufgrund der Corona-Pandemie hatte die EU-Kommission bereits im Juni 2020 die Möglichkeit für eine großzügige Verlängerung der Fristen geschaffen. Der nationale Gesetzgeber hatte im Ersten Corona-Hilfspaket die Möglichkeit geschaffen, diese Fristen durch Rechtsverordnung des BMF zu verlängern. Nunmehr hat sich das BMF geäußert und mitgeteilt, dass die Fristen nicht verlängert werden. Das BMF hat dazu einen 72 Seiten langen Entwurf eines BMF-Schreibens im Juli 2020 veröffentlicht.
Die Nichtverlängerung der Fristen hat zur Folge, dass mitteilungspflichtige Steuergestaltungen in der Zeit vom 25.06.2018 bis zum 30.06.2020 bis zum 31.08.2020 und Sachverhalte ab 01.07.2020 innerhalb von 30 Tagen anzuzeigen sind. Zwar sind grundsätzlich die sog. Intermediäre (z.B. Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwälte, Unternehmensberater, Banken) zur Anzeige verpflichtet; wurde die Steuergestaltungen jedoch ohne deren Mithilfe geplant, strukturiert und/oder umgesetzt, trifft es den Steuerpflichtigen selbst. Entsprechendes gilt, wenn ein mitwirkender Intermediär keinen Inlandsbezug hat. Die Nichtmeldung sowie die nicht fristgerechte oder nicht vollständige Meldung stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einem Bußgeld von bis zu EUR 25.000 geahndet werden kann. Zudem ist ab dem 01.07.2020 in Steuererklärungen für die Besteuerungszeiträume, in der sich der steuerliche Vorteil erstmals auswirkt, die grenzüberschreitende Steuergestaltung anzugeben.
Mit der Meldung von grenzüberschreitenden Steuergestaltungen will der Gesetzgeber bis dahin unerkannte, legale aber nicht gewollte Steuerschlupflöcher erkennen und gesetzgeberisch gegensteuern.
Die Prüfung, ob ein Sachverhalt meldepflichtig ist, vollzieht sich dabei in mehreren Schritten. Zunächst ist zu überprüfen, ob eine Steuergestaltung vorliegt, die u.a. Ertragsteuer, Grunderwerbsteuer sowie Erbschaft- und Schenkungsteuer betrifft, nicht hingegen Umsatzsteuer. Der Begriff der Steuergestaltung wird nach dem Entwurf des BMF-Schreibens dabei weit ausgelegt. Bei einer Steuergestaltung handelt es sich dabei um einen bewussten, das reale und/oder rechtliche Geschehen mit steuerlicher Bedeutung verändernden Schaffensprozess durch Transaktionen, Regelungen, Handlungen, Vorgänge, Vereinbarungen, Zusagen, Verpflichtungen oder ähnliche Ereignisse. Hierunter fallen beispielsweise die Schaffung, Zuordnung, der Erwerb oder die Übertragung von Einkünften oder deren Quellen auf einen anderen Rechtsträger; die Gründung oder der Erwerb einer die Einkünfte erzielenden juristischen Person oder die Anpassung vertraglicher Konditionen, die nicht ausschließlich unter Fremdvergleichsgrundsätzen erfolgt. Das Merkmal grenzüberschreitend ist grundsätzlich erfüllt, wenn mindestens 2 Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder ein Mitgliedstaat und ein Drittstaat betroffen sind.
Liegen danach grenzüberschreitende Steuergestaltungen vor, ist in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob diese aufgrund der inhaltlichen Ausgestaltung meldepflichtig sind. Hierzu definiert das Gesetz bestimmte Kennzeichen, wobei einige Kennzeichen nur dann relevant sind, wenn bei objektiver Betrachtung der Hauptzweck der Gestaltung in der Erlangung eines Steuervorteils liegt. Das BMF hat für bestimmte typische Gestaltungen auf einer sog. White-List einen Steuervorteil verneint.
Da die Kennzeichen ein Sammelsurium unterschiedlichster Sachverhalte sind, sollten zukünftig sämtliche Sachverhalte mit Auslandsbezug zeitnah daraufhin überprüft werden, ob eine Anzeigepflicht gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern besteht. Zudem sollten sämtliche Sachverhalte mit Auslandsbezug nach dem 24.06.2018 umgehend auf eine Anzeigepflicht untersucht werden.
Rechtsstand: 14.07.2020
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