Sind Bau- und Handwerksbetriebe machtlos, wenn der Auftraggeber die Abnahme verweigert oder immer weiter verzögert? Die „fiktive Abnahme“ kann Abhilfe schaffen.
Die Abnahme ist einer der wichtigsten Abschnitte bei der Erbringung von Bau- und Handwerkerleistungen. Mit ihr endet einerseits die Vorleistungspflicht des Unternehmers für die vertraglich übernommenen Leistungen. Andererseits stellt sie den Beginn der Gewährleistungsfristen dar. Darüber hinaus ist die Abnahme Voraussetzung für die Fälligkeit des Werklohnanspruchs. Was aber gilt rechtlich, wenn der Auftraggeber die Abnahme der Bauleistung verweigert oder hinauszögert? Was hat sich geändert?
Der Auftraggeber ist grundsätzlich verpflichtet, das beauftragte Werk abzunehmen, soweit dieses keine Mängel aufweist (vgl. § 640 Absatz 1 BGB). Für die Fälle, in denen der Auftraggeber die Abnahme ohne Begründung verweigert oder auf die Aufforderung zur Abnahme gar nicht reagiert, hat der Gesetzgeber im Jahr 2018 das Instrument der fiktiven Abnahme geschaffen (vgl. § 640 Absatz 2 BGB). Diese bewirkt, dass bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen ein Werk auch ohne Mitwirkung des Auftraggebers als abgenommen gilt.
Damit das rechtliche Instrument der fiktiven Abnahme anwendbar ist, müssen jedoch einige Voraussetzungen vorliegen. (1) Zum einen muss die beauftragte Bau- oder Handwerkerleistung vollständig erbracht sein. (2) Zum anderen muss der Auftraggeber durch den Unternehmer zur Abnahme der Bau – oder Handwerkerleistung aufgefordert worden sein. Der Unternehmer muss hierbei dem Auftraggeber zudem eine angemessen Frist zur Abnahme der Bau- oder Handwerkerleistung setzen. Unter Anlehnung an die in der VOB/B geregelten Fristen wird in diesem Zusammenhang eine Frist, die mindestens 12 Werktage beträgt, als angemessen angesehen.
Die Aufforderung zur Abnahme kann zwar grundsätzlich auch rein mündlich erfolgen. Es empfiehlt sich aber, dem Auftraggeber die Aufforderung zur Abnahme sowie die notwendige Fristsetzung stets schriftlich oder zumindest in Textform per E-Mail zu übermitteln. Sollte es zu einer Streitigkeit zwischen dem Auftraggeber und dem Unternehmer kommen, ist so ein gesicherter Nachweis der für die fiktive Abnahme notwendigen Voraussetzungen möglich.
Ist der Auftraggeber ein Verbraucher, muss der Unternehmer (Handwerker) den Auftraggeber zusammen mit der Aufforderung zur Abnahme zusätzlich auf die Folgen einer nicht erklärten oder ohne Angabe von Mängeln verweigerten Abnahme hinweisen. Dieser Hinweis muss schriftlich erfolgen (vgl. § 640 Absatz 2 Satz 2 BGB). Das Fehlen dieser vom Gesetzgeber geforderten Belehrung führt bei einem Verbraucher dazu, dass das Instrument der fiktiven Abnahme nicht anwendbar ist.
Liegen diese Voraussetzungen vor und nimmt der Auftraggeber die Bau- oder Handwerkerleistung in der ihm gesetzten Frist nicht ab und verweigert die Abnahme auch nicht unter Benennung von Mängeln, so wird die Abnahme nach Ablauf der Frist gesetzlich fingiert. Das führt dazu, dass der Auftraggeber sich so behandeln lassen muss, als habe er die Bauleistung abgenommen. Offene Werklohnforderungen können dann rechtlich durchgesetzt werden.
Unterbleibt die Abnahme jedoch, weil der Auftraggeber die Abnahme in der ihm gesetzten Frist unter Benennung angeblich bestehender Mängel verweigert hat, so kann es nützlich sein, den Zustand der Bauleistung dokumentieren zu lassen. Diese Dokumentation ist vor allem in den Fälle empfehlenswert, in denen der Auftraggeber das Werk ohne vorherige Abnahme in Benutzung nimmt. Denn in diesen Fällen entsteht oftmals Streit darüber, in wessen Verantwortungsbereich der behauptete Mangel tatsächlich fällt.
Um diesen Fällen Rechnung zu tragen, besteht die Möglichkeit der sogenannten Zustandsfeststellung (§ 650 g Absatz 1 – 3 BGB). Im Rahmen eines gemeinsamen Termins wird vor Ort der Zustand der Bau- oder Handwerkerleistung zum Zeitpunkt des Abnahmeverlangens dokumentiert. Der Auftraggeber ist verpflichtet, an dieser Dokumentation auf Verlangen des Unternehmers mitzuwirken.
Die Zustandsfeststellung ersetzt nicht die Abnahme und hat auch keine Fiktionswirkung. Sie soll lediglich den Status quo zum Zeitpunkt des Abnahmeverlangens dokumentieren. Allerdings führt sie zu einer für den Unternehmer günstigen Vermutung. Sind offenkundige Mängel nicht im Protokoll der Zustandsfeststellung aufgeführt, wird davon ausgegangen, dass diese Mängel erst später entstanden und damit vom Auftraggeber zu verantworten sind. Nutz oder bewohnt der Auftraggeber das (Bau) –werk bereits vor Abnahme, gehen solche Mängel dann zu Lasten des Auftraggebers.
Worauf Sie achten sollten:
- Aufgrund der rechtlichen Bedeutung sollte darauf Wert gelegt werden, dass die Abnahme zeitnah nach Fertigstellung der Bau- oder Handwerkerleistung erfolgt.
- Aufforderungen zur Abnahme der erbrachten Bau- oder Handwerkerleistung sollten stets schriftlich an den Auftraggeber übermittelt werden, um im Falle einer Streitigkeit die erforderlichen Nachweise erbringen zu können.
- Ist der Auftraggeber ein Verbraucher, ist dieser mit der Aufforderung zur Abnahme schriftlich auch auf die Folgen einer nicht durchgeführten Abnahme hinzuweisen.
- Wird die Abnahme unter Angabe von Mängeln verweigert und nutzt oder bewohnt der Auftraggeber das (Bau)werk bereits ohne durchgeführte Abnahme, sollte der Unternehmer auf der Durchführung einer Zustandsfeststellung bestehen.
- Befürchten Sie Streitigkeiten über behauptete Mängel, kann es zudem sinnvoll sein, zu dem Termin für eine Abnahme oder eine Zustandsfeststellung einen unabhängigen Sachverständigen dazu zu bitten
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