Bedeuten Zahlungsschwierigkeiten als Folge der Covid-19-Pandemie die sofortige Stellung eines Insolvenzantrages und wie kann man die Zahlungsfähigkeit seines Unternehmens bis Ende 2019 noch nachweisen? Birgit Barz, Rechtsanwältin bei EEP, beantwortet häufig gestellte Fragen von Unternehmen zur Insolvenzantragspflicht.
Mein Unternehmen hat aufgrund der Auswirkungen des wirtschaftlichen Shutdown im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie Zahlungsschwierigkeiten. Bin ich oder mein Unternehmen verpflichtet Insolvenzantrag zu stellen?
Das Insolvenzrecht sieht eine Insolvenzantragspflicht ausschließlich bei juristischen Personen oder Gesellschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit vor, die keine natürliche Person als vollhaftenden Gesellschafter haben (§ 15 a InsO). Insolvenzantragspflichtig sind diese dann, wenn eine Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) oder eine Überschuldung (§ 19 InsO) vorliegt. Sind Sie also Einzelunternehmer oder Privatperson bzw. ist Ihr Unternehmen eine Gesellschaft mit einer natürlichen Person als Vollhafter, trifft Sie keine Insolvenzantragspflicht. Ist Ihr Unternehmen jedoch eine juristische Person (GmbH, Aktiengesellschaft etc.) oder eine Gesellschaft ohne eigene Rechtspersönlichkeit, bei der keine natürliche Person Vollhafter ist (z.B. GmbH & Co. KG), könnten Sie unter diesen Voraussetzungen insolvenzantragspflichtig sein.
Das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (COVInsAG) sieht nun in § 1 vor, dass die Insolvenzantragspflicht vom 01.03.2020 bis 30.09.2020 ausgesetzt ist, wenn die Insolvenzreife auf den Folgen der Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Um den Unternehmen eine Beweiserleichterung an die Hand zu geben, wird durch das Gesetz die Vermutung aufgestellt, dass die bis zum 30.09.2020 eingetretene Insolvenzreife auf dem Coronavirus beruht und Sanierungschancen bestehen, wenn das Unternehmen am 31.12.2019 zahlungsfähig war.
Sie sollten für Ihr Unternehmen folglich zum 31.12.2019 eine Liquiditätsbilanz aufstellen, anhand derer Sie belegen können, dass Ihr Unternehmen zahlungsfähig war. Hilfreich wäre auch die Aufstellung durch einen objektiven Dritten (wie z.B. Ihren Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer), da dies später unter Umständen einen besseren Beweiswert hat.
Ergibt sich die Zahlungsfähigkeit, spricht für Ihr Unternehmen die Vermutung, dass die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt ist.
Wie ermittle ich die Zahlungsfähigkeit zum 31.12.2019 meines Unternehmens?
Zahlungsunfähig im Sinne des § 17 InsO ist eine Person, wenn sie nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof ist eine Zahlungsunfähigkeit anzunehmen, wenn die Liquiditätslücke des Schuldners 10 % oder mehr beträgt, soweit nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass diese Lücke innerhalb von drei Wochen (fast) vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein solches Zuwarten zumutbar ist. Um dies festzustellen, ist eine Liquiditätsbilanz aufzustellen. In dieser Liquiditätsbilanz sind die im maßgeblichen Zeitpunkt verfügbaren und innerhalb von drei Wochen flüssig zu machenden Mittel in Beziehung zu setzen, zu den am selben Stichtag fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten (BGH-Urteil vom 24.05.2005, IX ZR 123/04). Die insolvenzrechtliche Zahlungsunfähigkeit bestimmt sich danach, dass sich bei einer Gegenüberstellung der liquiden Mittel und der Verbindlichkeiten eine Unterdeckung ergibt.
In der Liquiditätsbilanz setzen Sie bei den liquiden Mitteln mithin das Barvermögen, also z.B. Bankguthaben und Kassenbestand, aber auch sämtliche sonst verfügbaren Mittel, etwa aus einer Kreditlinie, geduldeten Überziehung und eines leistungsfähigen Cashpools an. Diesen liquiden Mitteln sind dann die fälligen Verbindlichkeiten zu dem gleichen Stichtag gegenüberzustellen. Ergibt sich, dass das Barvermögen lediglich 90 % oder weniger der fälligen Verbindlichkeiten abdeckt, ist das Unternehmen zahlungsunfähig, wenn sich nicht ergibt, dass am Ende eines Prognosezeitraums von drei Wochen diese Liquiditätslücke geschlossen ist. Es sind folglich die zukünftigen Einzahlungen mit den zukünftigen fälligen Verbindlichkeiten innerhalb dieser Dreiwochenfrist in die Liquiditätsbilanz einzustellen. Ergibt sich dann für diese 21 Tage eine Lücke von 10 % oder mehr, liegt Zahlungsunfähigkeit auf diesen Stichtag vor.
Welche genauen liquiden Mittel mit welcher Summe eingestellt werden können und welche Verbindlichkeiten zu berücksichtigen sind, sollten Sie rechtlich abklären lassen.
Überprüfen Sie regelmäßig Ihre Liquiditätsprognose.
Wie kann ich mich absichern, dass später trotz bestehender Zahlungsfähigkeit zum 31.12.2019 nicht doch eine Insolvenzantragspflicht nachträglich angenommen wird?
Hundertprozentige Sicherheit kann Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt niemand gewähren. Das Gesetz ist neu und die Anwendung ist abzuwarten. Dennoch gilt, je mehr Tatsachen Sie dokumentieren, aus denen sich ergibt, dass die Zahlungsschwierigkeiten Ihres Unternehmens auf der Corona-Pandemie beruhen und es Aussichten gibt, die Liquiditätskrise zu überwinden, umso wahrscheinlicher ist es, dass es einem späteren Gläubiger oder Insolvenzverwalter nicht gelingen wird, die Vermutung des Gesetzes außer Kraft zu setzen.
Während der Corona-Krise sollten Sie eine wöchentliche Liquiditätsplanung vornehmen. Planen Sie Umsatzeinbußen aufgrund des Shutdowns ein und Forderungsausfälle, weil Ihre Kunden selbst in Liquiditätsengpässe rutschen und deshalb verspätet oder weniger an Sie zahlen. Sollten Sie Kurzarbeitergeld beantragen können und damit geringere Gehaltszahlungen an die Mitarbeiter nach Bewilligung durch die Arbeitsagentur zahlen müssen, berücksichtigen Sie dies ebenfalls. Auch eine eventuelle Senkung der Steuervorauszahlungen können Sie einplanen. Prüfen Sie, ob eine Kostensenkung vorübergehend möglich ist, die dann ebenfalls in die Planung einfließen kann.
Hilfreich ist es auch, wenn Sie nachweislich festhalten, dass Sie Staatshilfen bei einem Liquiditätsengpass in Anspruch nehmen.
Bitte achten Sie auch darauf, dass die Liquiditätsplanung immer die kommenden zwölf Monate berücksichtigt und nicht nur den jeweiligen gerade betreffenden Monat.
Wann hafte ich als Geschäftsleiter eines Unternehmens für Verbindlichkeiten des Unternehmens während der Corona-Pandemie?
Nach dem Gesetz haftet die Geschäftsleitung (Geschäftsführer/Vorstände) grundsätzlich für sämtliche Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife (§ 64 Satz 1 GmbHG, § 92 Absatz 2 Satz 1 AktG, § 130 Absatz 1 Satz 1 HGB, § 99 Satz 1 GenG). Die Haftung tritt nach dem Gesetz dann nicht ein, wenn die Zahlungen, die nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung erfolgen, mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar sind.
Vor dem Erlass des COVInsAG hatte jeweils der Geschäftsführer zu beweisen, dass die Zahlungen, die er getätigt hat, mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar gewesen sind. Dieser Beweis ist selten gelungen, da die Rechtsprechung hieran hohe Anforderungen stellt. Nach § 2 Absatz 1 Nr. 1 COVInsAG gelten jedoch – während die Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrages ausgesetzt ist – die Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, insbesondere solche Zahlungen, die der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts dienen, als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar. Das Gesetz arbeitet folglich mit einer Vermutung zugunsten des Geschäftsleiters, die später gegebenenfalls widerlegt werden kann.
Auch hier sollten Sie zum späteren Nachweis dokumentieren, dass getätigte Zahlungen der Aufrechterhaltung oder der Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts dienten. Bei normalen Geschäften des Warenverkehrs wird dies sicherlich nicht unbedingt notwendig sein, es sei denn, es ergeben sich aus besonderen Umständen Tatsachen, die daran zweifeln lassen könnten, dass diese Zahlungen im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgten.
Im Raum stehen jedoch immer auch andere Haftungsregeln, wie z.B. auch die Haftung aus unerlaubter Handlung in Verbindung mit Strafrechtsnormen. Sollten Sie als Geschäftsleiter daher z.B. Ware bestellen und eine sichere Erkenntnis haben, dass Sie die Verpflichtungen aus den Kaufverträgen nicht werden erfüllen können und handeln Sie mit Bereicherungsabsicht für sich selbst, Ihre Gesellschaft oder Dritte, kommt eine Haftung aufgrund unerlaubter Handlung in Verbindung mit einem Eingehungsbetrug in Frage.
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