EuGH-Urteil: Kein Entschädigungsanspruch für Scheinbewerber

Es gibt sie – angebliche Bewerber, die es gar nicht auf den Job abgesehen haben, sondern nur den formalen Status als Bewerber erreichen wollen, um später eine Entschädigung wegen angeblicher Diskriminierung geltend zu machen. Der Europäische Gerichtshof hat diesem Treiben jetzt einen Riegel vorgeschoben. Unternehmen sollten dennoch wachsam bleiben und sich absichern, denn es ist nicht immer leicht, eine „Scheinbewerbung“ nachzuweisen.

Mit Urteil vom 28.07.2016 (Rs C-423/15) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) auf Vorlage des Bundesarbeitsgerichts (BAG) entschieden, dass eine Person, die mit ihrer Bewerbung um eine freie Stelle diese Stelle gar nicht erhalten, sondern nur den formalen Status als Bewerber erlangen möchte mit dem Ziel, eine Entschädigung geltend zu machen, rechtsmissbräuchlich handelt.

Klage auf Entschädigung wegen angeblicher Diskriminierung

In dem entschiedenen Fall hatte eine Versicherung vier Trainee-Stellen für Hochschulabsolventen ausgeschrieben. Vorausgesetzt wurde ein sehr guter Hochschulabschluss, der nicht länger als ein Jahr zurückliegen sollte. Zudem war eine qualifizierte, berufsorientierte Praxiserfahrung als Kriterium angeführt. Der Kläger bekam den Job nicht und erhob daraufhin beim Arbeitsgericht Klage auf Entschädigung von 14.000 Euro wegen Altersdiskriminierung. Diese Klage erhöhte er später, nachdem er erfuhr, dass nur Frauen genommen wurden, aufgrund einer angeblichen Diskriminierung wegen des Geschlechts um weitere 3.500 Euro.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht wiesen seine Klage ab. In der Revisionsinstanz legte das Bundesarbeitsgericht die Sache dem EuGH zur Entscheidung vor. Die deutschen Gerichte hatten jeweils entschieden, dass der Kläger sich nicht beworben habe, um die Trainee-Stelle zu erhalten, sondern nur, um den formalen Status als Bewerber zu erlangen mit dem alleinigen Ziel, eine Entschädigung geltend zu machen. Der EuGH hat diese Entscheidungen in der Sache bestätigt.

Solche Personen könnten sich nicht auf die Europäischen Antidiskriminierungsgrundsätze, die ihren Niederschlag in Deutschland im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gefunden haben, berufen.

Tipp: „AGG-Hoppern“ in Ausschreibungen keine Angriffsfläche bieten

Die Schwierigkeit dürfte weiterhin darin liegen, im Einzelfall den Rechtsmissbrauch eines potentiellen Bewerbers um eine Stelle darzulegen und zu beweisen. Ausschreibenden Unternehmen kann weiterhin nur geraten werden, diskriminierungsanfällige Begriffe (Berufsanfänger, Berufserfahrung oder gar geschlechtsspezifische Elemente) nach Möglichkeit wegzulassen und etwaige Absagen auch nicht im Detail zu begründen.

Leichter ist dies indes bei sogenannten „AGG-Hoppern“, d.h. Personen, die schon vielfach durch entsprechende Klagen gegenüber ausschreibenden Unternehmen auffällig geworden sind. So lag es auch bei dem Kläger dieses Verfahrens, gegen den bereits die Staatsanwaltschaft wegen mehr als 20 Klagen vor Arbeitsgerichten wegen Betrugs zu Lasten der ausschreibenden Unternehmen ermittelt.

Parallel wird in Berlin über eine weitere Verschärfung des AGG nachgedacht. So wird vermutlich die Frist zur Geltendmachung eines Verstoßes in § 21 Abs. 5 AGG von zwei auf fünf Monate verlängert werden. Zudem sollen die Rechtschutzbefugnisse von Verbänden noch erweitert werden.

 

Bildquelle: marcinmaslowski – fotolia.de

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