Widerruft ein Verbraucher einen Darlehensvertrag, gibt es meist mehrere Streitpunkte. Wird ein solcher Widerruf wirksam ausgeübt, so bietet oftmals die Frage nach der tatsächlichen Höhe der durch den Darlehensgeber (Bank) an den Darlehensnehmer (Verbraucher) zu erstattenden Beträge erhöhtes Diskussionspotenzial.
Die Rechtsprechung in Deutschland geht bisher in ständiger Rechtsprechung davon aus, das der Darlehensgeber bei wirksam erklärtem Widerruf dem Darlehensnehmer neben den tatsächlich geleisteten Zins- und Tilgungsleistungen auch einen Nutzungsersatz für die überlassenen Zins-und Tilgungsleistungen bis zum Zeitpunkt der Erklärung des Widerrufs erstatten muss. Inhalt dieses Anspruchs auf Nutzungsersatz ist die Verzinsung der durch den Darlehensnehmer bis zum Widerruf geleisteten Zahlungen in Höhe von 2,5 Prozentpunkte über Basiszinssatz bei grundpfandrechtlich gesicherten Darlehensverträgen und in Höhe von 5 Prozentpunkte über Basiszinssatz bei allen weiteren Verbraucherdarlehensverträgen.
Dies führt dazu, dass Banken ihren Kunden im Falle eines wirksamen Widerrufs meist deutlich höhere Beträge als die tatsächlich erhaltenen Darlehensraten erstatten müssen. Begründet wird diese Pflicht zur Erstattung auch eines Nutzungsersatzes damit, dass die Bank bis zum Widerruf des Vertrages mit den durch den Darlehensnehmer gezahlten Beträgen habe arbeiten und somit Erträge erzielen können.
Begrenzt auf den Bereich der im Fernabsatz geschlossene Darlehensverträge entschied der EuGH jedoch am 04.06.2020 (Az. C-301/18), dass der bisher durch die deutsche Rechtsprechung angenommen Anspruch auf Nutzungsersatz zumindest bei Fernabsatzverträgen gegen geltendes EU-Recht verstößt. Der EuGH vertritt die Ansicht, dass die maßgeblichen Vorschriften der Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher (Richtlinie 2002/65/EG) nicht vorsähen, dass der Anbieter (Darlehensgeber) bei Widerruf des Vertrags durch den Verbraucher verpflichtete wäre, über die Erstattung der vom Verbraucher gezahlten Tilgungs- und Zinsbeträge hinaus auch Nutzungsersatz auf die im Rahmen der Vertragserfüllung erhaltenen Beträge an den Verbraucher zu leisten (vgl. EuGH, Urteil vom 04.06.2020, C-301/18, Rn. 35). Ein Nutzungsersatzanspruch -wie ihn die deutsche Rechtsprechung bisher annimmt – bestünde laut EuGH bei im Fernabsatz geschlossene Darlehensverträgen daher nicht.
Es bleibt nun abzuwarten, wie sich die deutschen Gerichte zu dieser Rechtsansicht des EuGH positionieren und ob die Rechtsprechung Erwägungen des EuGH-Urteils auch für andere Darlehensverträge übernimmt.
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Dr. Markus Stöterau
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bank-
und Kapitalmarktrecht
Maike Lietzau
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Bank-
und Kapitalmarktrecht
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